Friedenspreisträger*innen fordern Ende der Repressalien gegen Swetlana Alexijewitsch und die belarussische Bevölkerung
Aleida und Jan Assmann, Margaret Atwood, Carolin Emcke, David Grossman, Navid Kermani, Jaron Lanier, Wolf Lepenies, Liao Yiwu, Claudio Magris, Orhan Pamuk, Boualem Sansal, Friedrich Schorlemmer und weitere unterzeichnen Erklärung / Börsenverein des Deutschen Buchhandels unterstützt Appell
Angesichts der Bedrohungen, denen Friedenspreisträgerin Swetlana Alexijewitsch und ihre Landsleute in Belarus ausgesetzt sind, solidarisieren sich Preisträger*innen des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, ihre Laudator*innen und der Stiftungsrat mit der belarussischen Bevölkerung und geben folgende, von Karl Schlögel formulierte Erklärung ab.
„Am Dienstag, den 8.September 2020, erschienen vor der Minsker Wohnung der belarussischen Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch, Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels im Jahre 2013, des Nobelpreises für Literatur im Jahre 2015 und zahlreicher anderer internationaler Auszeichnungen, ,Männer in schwarzen Masken‘ (Swetlana Alexijewitsch). Bereits am 26. August war sie vorgeladen worden zu einem Verhör der Staatsanwaltschaft in Minsk, die Ermittlungen führt gegen die Mitglieder des Koordinationsrates der oppositionellen Kräfte, zu dem auch die Schriftstellerin gehört.
Dies ist ein weiterer Versuch der Regierung Alexander Lukaschenkas, die friedliche Volksbewegung gegen die Fälschung der Wahlen am 9. August mit Polizeiterror, Folter und Entführungen zu zerschlagen. Nach der Verhaftung, Entführung und Zwangsexilierung ihrer Freund*innen vom Koordinationsrat ist Swetlana Alexijewitsch die einzige, die nicht festgenommen wurde. In ihrem Gespräch mit Journalist*innen am 8. September hat sie alle Beschuldigungen Lukaschenkas wegen angeblicher Staatsstreichabsichten zurückgewiesen und ihn zum Dialog mit der Volksbewegung aufgefordert.
Sie hat nichts anderes getan als das, wofür sie mit dem Friedenspreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels im Jahre 2013 ausgezeichnet worden ist: die Wahrheit auszusprechen und ihre Stimme all jenen zu leihen, die sich auflehnen gegen Erniedrigung, Ungerechtigkeit und Missachtung der Menschenwürde – ob dies die Opfer des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion waren, die im Afghanistan-Krieg gefallenen sowjetischen Soldaten, die Opfer der Atomkatastrophe von Tschernobyl oder der menschlichen Tragödien in der nachsowjetischen Welt. Ihre Bücher bewegen Millionen von Leser*innen in Deutschland, ja in der ganzen Welt. Swetlana Alexijewitsch steht in der besten Tradition einer "Intelligenzia", die immer schon in Europa für ihre Wahrheitsliebe, ihr Engagement für die ,Erniedrigten und Beleidigten‘ und für ihren Mut geachtet und geliebt wurde.
Wir solidarisieren uns mit Swetlana Alexijewitsch und ihren Gefährt*innen vom Koordinationsrat und fordern die Einstellung der Einschüchterung, der Terrormaßnahmen gegen sie wie gegen die bisher so friedlich verlaufene Bewegung des belarussischen Volkes. Wir fordern alle, wo immer sie tätig sind – ob in Regierungsämtern, in der Diplomatie, in Kultur- und Gelehrtenkreisen –, auf, ihren Einfluss geltend zu machen, dem Versuch Alexander Lukaschenkas, Swetlana Alexijewitschs und ihre Gefährt*innen mundtot zu machen und die Freiheitsbewegung zu ersticken, entgegenzutreten.“
Die Unterzeichnenden
Aleida und Jan Assmann, Friedenspreisträger 2018
Margaret Atwood, Friedenspreisträgerin 2017
Klaus Brinkbäumer, Stiftungsrat des Friedenspreises
Carolin Emcke, Friedenspreisträgerin 2016
David Grossman, Friedenspreisträger 2010
Moritz Helmstaedter, Stiftungsrat des Friedenspreises
Navid Kermani, Friedenspreisträger 2015
Nadja Kneissler, Stiftungsrat des Friedenspreises
Jaron Lanier, Friedenspreisträger 2014
Wolf Lepenies, Friedenspreisträger 2006
Liao Yiwu, Friedenspreisträger 2012
Claudio Magris, Friedenspreisträger 2009
Hans Maier, Laudator 1986
Ethel Matala de Mazza, Stiftungsrat des Friedenspreises
Peter von Matt, Laudator 2011
Eva Menasse, Laudatorin 2017
Norbert Miller, Laudator 2015
Orhan Pamuk, Friedenspreisträger 2005
Boualem Sansal, Friedenspreisträger 2011
Joachim Sartorius, Laudator 2005
Karl Schlögel, Laudator 2009 und 2013
Karin Schmidt-Friderichs, Vorsitzende des Stiftungsrats des Friedenspreises
Friedrich Schorlemmer, Friedenspreisträger 1993
Gesine Schwan, Laudatorin 1977
Börsenverein unterstützt Appell
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bekräftigt den Appel seiner Friedenspreisträger*innen. „Für die Buchbranche ist die Einhaltung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit einer der Grundpfeiler unseres Selbstverständnisses“, so Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis. „Deswegen werden auch wir alles dafür tun, dass Swetlana Alexijewitsch und das belarussische Volk ihre Rechte und Freiheiten wahrnehmen können. Die Einschränkung der Freiheit des Wortes ist für totalitäre Machthaber eines der perfidesten Instrumente, um autokratische Systeme zu errichten oder zu stützen. Wir unterstützen die Bundesregierung dabei, entschieden gegen solche Entwicklungen vorzugehen und konsequent für Menschen- und Freiheitsrechte einzustehen.“
Mehr über den Preisträger
Friedenspreis 2013