Der Stiftungsrat Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat die algerische Schriftstellerin Assia Djebar zur Trägerin des Friedenspreises 2000 gewählt. Die Verleihung fand am 22. Oktober 2000 in der Paulskirche statt. Die Laudatio hielt Barbara Frischmuth.
Begründung der Jury
Mit dem Friedenspreis ehrt der Börsenverein »die algerische Schriftstellerin Assia Djebar, die dem Maghreb in der zeitgenössischen europäischen Literatur eine eindringliche Stimme gegeben hat. Sie hat in ihrem Werk ein Zeichen der Hoffnung gesetzt für die demokratische Erneuerung Algeriens, für den inneren Frieden in ihrer Heimat und für die Verständigung zwischen den Kulturen. Den vielfältigen Wurzeln ihrer Kultur verpflichtet, hat Assia Djebar einen wichtigen Beitrag zu einem neuen Selbstbewusstsein der Frauen in der arabischen Welt geleistet.«
Reden
Dieser unbändige Drang nach der Freiheit des Wortes und der Freiheit des Blicks, der dieser Dichterin aus Algerien eignet, hat es ihr ermöglicht, eine Literatur zu schreiben, die den Blick von außen auf die Kultur, der sie entstammt, ständig mit dem Leben in dieser Kultur, dem Erleben des In-ihr-Seins konfrontiert.
Barbara Frischmuth - Laudatio
Barbara Frischmuth
Auf die Friedenspreisträgerin 2000
Laudatio
Wie sollte ich sie nicht loben wollen, Assia Djebar, die Frau, die Dichterin, die Historikerin, die Filmemacherin berberisch-arabisch-muslimischer Abstammung, die französische Schriftstellerin aus Cherchell, Algerien, die arabische Intellektuelle aus Paris, Frankreich?
Ich hoffe, ich habe die Reihenfolge einigermaßen richtig getroffen, wenn es in dieser Hinsicht überhaupt so etwas wie eine richtige Reihenfolge geben kann. Oft genug entzieht sich das Gedächtnis der Hierarchie von früher oder später, von bedeutend oder weniger bedeutend, denn seine Stärke liegt darin, sich zu öffnen und zuzulassen, dass die Kavernen aufbrechen, das lange Übersehene sichtbar, das Überhörte hörbar wird.
Insofern ist das Gedächtnis, das die Schriftstellerin Assia Djebar ihrer Literatur zugrunde legt, ein umfassendes, eines, das die Geschichte ihres Herkunfts-, aber auch ihres Alltagslandes in vielen poetischen Formen des Nachvollzugs memoriert. Wobei der Sprache, das heißt den Sprachen, schmerzliches Augenmerk widerfährt, so als spiegle sich in jenem Prozess der Literaturwerdung das ganze Dilemma eines Verlassenseins, will sagen des Gefühls, von der Sprache der Kindheit verlassen worden zu sein. Von einer beinah unschuldigen Sprache, die sich nur mündlich fortspricht. Unschuldig, indem sie auf die Schrift, die immer auch Herrschaftsinstrument ist, verzichtet. So wie es bei manchen islamischen Heterodoxien noch immer jene Unbotmäßigkeit gegenüber dem aufgezeichneten Koran gibt, den sie als den stummen »Kur'ân-i Samit« bezeichnen und dem sie den sprechenden »Kur'ân-i Natik« gegenüberstellen, der mit dem Menschen gleichgesetzt wird und sich jeden Augenblick erneuert und verändert, der lebt, ohne zur endgültigen Form zu erstarren.
Auch die Schriftstellerin Assia Djebar hat nie den Sinn für die zugrunde liegende Sprache verloren, in ihrem Fall den berberischen Dialekt, der noch vor dem Arabischen die Laute ihrer Kindheit bestimmte, wie in dem 1985 erschienenen Roman »Fantasia« eindrucksvoll nachzulesen ist: »Die Wahrheit ist aus einem Bruch meiner stammelnden Sprache hervorgegangen.« Worte der Zärtlichkeit im Dialekt der Kindheit, die das Herz wärmen, einer Sprache »auf dem halben Weg zwischen der Berbersprache der Gipfel und dem Arabisch der nahen Stadt«. Sie sind der gefühlsmäßige Hintergrund, vor dem sich das Schriftarabisch und das Französische abheben. Ein Französisch, von dem es an anderer Stelle heißt: »Außerhalb der Sprache der Vorfahren von sich selbst sprechen, das bedeutet zwar, sich zu entschleiern, doch nicht nur, um die Kindheit zu verlassen und sich endgültig daraus zu verbannen. Die Entschleierung, und sei sie noch so begrenzt, wird wirklich zur >Entblößung<, wie es mein arabischer Dialekt des Alltags ausdrückt.«
Dennoch ist das Französische die Schreibsprache von Assia Djebar geworden und geblieben. Sie verband jene vierte Sprache, über die die jungen Frauen und Mädchen ihrer Generation neben dem Berberischen, dem Arabischen und dem Französischen verfügten, nämlich die Sprache des Körpers, mit dem Französischen, das ihren Körper in Bewegung hatte geraten lassen. »Als ob die französische Sprache plötzlich Augen hätte und sie mir geliehen habe, damit ich in die Freiheit schauen könne; als ob die französische Sprache die wachsamen Männer meines Stammes blind mache und ich um diesen Preis frei herumlaufen dürfe... »das Draußen für meine eingesperrten Gefährtinnen erobern, für meine Großmütter, die schon lange vor dem Grab tot waren.«
Das Französische war sozusagen der Preis für die neue Freiheit und gleichzeitig die Verpflichtung, in jener vierten Sprache, der des weiblichen Körpers, der verhüllt, umwickelt und eingeschnürt worden war, die Stimmen derer zum Sprechen zu bringen, die sich höchstens in Anfällen von Hoffnung oder Verzweiflung, in Trance, im Tanz oder in lautem Schreien aufzulehnen versucht hatten.
Dieser unbändige Drang nach der Freiheit des Wortes und der Freiheit des Blicks, der dieser Dichterin aus Algerien eignet, hat es ihr ermöglicht, eine Literatur zu schreiben, die den Blick von außen auf die Kultur, der sie entstammt, ständig mit dem Leben in dieser Kultur, dem Erleben des In-ihr-Seins konfrontiert. Dabei gestattet sie sich keinerlei Sentimentalität oder Verschwommenheit, weder nostalgische noch ideologische Verschleierungen. Ihr Credo liegt in der Erinnerung, der Hartnäckigkeit des Erinnerns und der Genauigkeit des Erinnerten.
Wie bei Shehrezâd, der Erzählerin der tausendundein Geschichten aus den tausendundein Nächten, ist auch für Assia Djebar, der studierten Historikerin, das Schreiben zur Überlebensform geworden. Wobei es ihr nicht nur um das eigene Überleben zu tun ist: »Mein Körper geht einfach unverhüllt weiter, wenn er die You-You-Rufe der Vorfahren auf den Schlachtfeldern von früher hört, und wird selbst zum Einsatz. Das Schreiben einer Autobiographie in der gegnerischen Sprache wird wie eine Fiktion gewebt«, bedrängt von der Namenlosigkeit der Frauen, die davor gelebt haben und deren Sprachwerdung die Schriftstellerin unternommen hat.
Während meiner ersten intensiven Beschäftigung mit den Büchern von Assia Djebar versuchte ich oft, mir das kleine arabische Mädchen vorzustellen, das an der Hand seines Vaters, einem der ersten Französisch-Lehrer seines Landes, die französische Schule betritt. Ein kleines Mädchen, das auf dem Weg in die Moderne die erste Hürde genommen hat, nämlich anstatt mit elf oder zwölf in einem Harem zu verschwinden, weiter die Schule besuchen zu dürfen. Auf Französisch, in der Sprache, die der Vater ihr gegeben hatte. Ein strenger Vater, der es dennoch erlaubte, dass sie nach Frankreich ging, wo sie als erste Algerierin an der Ecole Normale Supérieure de Sèvres zugelassen wurde, um Geschichte zu studieren. Ein Vater, dem sie in ihren Büchern ein liebevolles Erinnern bewahrt hat, wohl wissend, wie weit jemand aus eigener Anstrengung über den Schatten der allgegenwärtigen Tradition springen darf, der bereit ist, um der Sache seiner Tochter willen vielleicht zum Außenseiter, nicht aber zum Ausgestoßenen zu werden.
Assia Djebar selbst ist sehr bewusst den Weg der Emanzipation gegangen, und ihre vielfältigen Begabungen haben sie in vielerlei Berufssituationen gebracht. Von der Journalistin, die während des algerischen Befreiungskrieges für die Zeitung der FLN schrieb, über die Dozentin für nordafrikanische Geschichte an der Universität Algier, zur Filmemacherin, die für ihre filmischen Chroniken 1979 bei der Biennale von Venedig und 1982 bei der Berlinale ausgezeichnet wurde, bis hin zur Professorin am Zentrum für französische und frankophone Studien der Louisiana State University.
Was aber ist es, was die Literatur von Assia Djebar zu einer so besonderen macht? Sind es die Stimmen des weiblichen Algerien, jene nach der Kindheit verstummenden, hinuntergeschluckten, tief im Körper vergrabenen Stimmen, die in dieser Literatur Wort werden, sich zu Sätzen formen, in denen der Blick von innen auf den von außen trifft, und dadurch die Geschichte eines Landes ruchbar wird, so wie sie noch nie erzählt wurde?
Die Kunst der Assia Djebar besteht wohl darin, aus all den lange verächtlich beiseite geschobenen Bruch- und Fundstücken eines Augenscheins, der nicht des Ins-Auge-Fassens für wert galt, eine Prosawelt erstehen zu lassen, die zeigte, wie verwahrlost die allgemeine Wahrnehmung war und wie sehr sie sich von der vorherrschenden Sicht der Dinge hatte vereinnahmen lassen.
Es war die Suche nach den Stimmen, die noch nie laut von sich gesprochen hatten, die Archäologie dessen, was den bestehenden Verhältnissen zugrunde lag, das hartnäckige der Unterdrückung auf der Spur Bleiben, das gar nicht anders konnte, als sich dem Grauen des gegenwärtigen Algeriens zu stellen. Und damit meine ich die Form des Aufschreibens, genauer gesagt ein Buch wie »Weißes Algerien«, in dem all die getöteten und ihren Krankheiten erlegenen Dichter sowie einige persönliche Freunde der Autorin noch einmal zu Wort und zu einer, nämlich ihrer, Geschichte kommen.
Ein Buch, in dem nicht polemisiert und nicht literarisch geklagt, sondern in dem erzählt wird, akribisch, von den letzten Augenblicken der Freunde, in liebendem Nachempfinden und in der Absicht, sie über ihren Tod hinaus zu Liebenswerten zu machen. Auf diese Weise gelingt es der Autorin, die ganze Ungeheuerlichkeit des Krieges, der in Algerien täglich aufs Neue ausgetragen wurde und zum Teil noch wird, so vor Augen zu führen, dass diese vor Schreck sich weiten. Sie scheut dabei nicht davor zurück, sich in die Köpfe der Täter zu stehlen, ihre mutmaßlichen Argumente, Ausreden, Verteidigungen aufzuschreiben und die Kette der Gewalttätigkeiten, die aus Opfern Täter gemacht hat - manchmal auch umgekehrt -, als Kette zu zeigen, die jene, die diesen Krieg führen, aneinander fesselt.
Die jungen Krieger, die Assia Djebars Freunde und Kollegen erwürgt, erstochen oder erschossen hatten und sich dabei auch noch im Recht fühlten, nannten sich »Narren Gottes«, ein Ausdruck für Verrückte und Mystiker im frühen Islam, für jene, »Von denen das Schreibrohr aufgehoben war. Deren Worte und Taten die Schreiberengel nicht aufschrieben, weil die Narren nicht unter dem Gesetz standen und für sie die Verpflichtung zum Einhalten der Gesetzesvorschriften nicht galt.«
Viele Dichter gehörten zu diesen Narren der Liebe Gottes, nie zuvor aber selbsternannte Scharfrichter, die sich nicht nur jenes Namens widerrechtlich bedienen, sondern der ganzen islamischen Kultur. Es ist diese Spur des Missbrauchs, die Assia Djebar in ihrer Literatur verfolgt. Des gesellschaftlichen, patristisch argumentierenden Missbrauchs des Weiblichen, des Missbrauchs des Religiösen als politischer Kategorie, vor allem aber des Missbrauchs der Sprache.
»Die algerische Literatur«, heißt es in »Weißes Algerien«, »hat sich unablässig in einem linguistischen Dreieck eingeschrieben«, in das des Lybisch-Berberischen, das nicht mehr geschrieben wurde, des Arabischen, das während der Kolonialzeit im Schatten des Französischen stand, und des Französischen, das wiederum heute marginalisiert wird. Die sichtbarste in dieser Konstellation ist aber immer die jeweilige Sprache der Macht.
In der langen Geschichte dieses Landes war das Lateinische bis zu Augustinus, im Mittelalter dann das klassische Arabisch, danach bis 1830 das Türkische des Osmanischen Reiches Herrschaftssprache. In der Folge war das Französische die Sprache des kolonialen Apparats, und heute ist es das moderne Arabisch, das als Nationalsprache gehandhabt wird und wiederum die beiden anderen, die berberischen Dialekte und das Französische an den Rand drängt.
Anhand von Gebrauch und Missbrauch dieser Sprachen zeichnet Assia Djebar die historisch gewachsenen und die willkürlich oktroyierten Formen des Missverstehens auf. Sie hat ein absolutes Gehör für soziale Abstufungen, die im Arabischen sogleich spürbar werden. So wenn sie von einem der getöteten Freunde erzählt, mit dem sie immer französisch gesprochen hatte, da es unpersönlich und neutral war. Sobald sie sich arabisch miteinander unterhielten, wurden sie sozusagen »zu anderen Menschen. In der Verschiedenheit der Muttersprachen wurden sogleich die alten Verhältnisse sichtbar.« Dass das Französische sie überdeckte, gesteht ihm eine andere, völlig neue politische Rolle zu, als die, die es als Sprache der Kolonisatoren, das heißt, als Sprache der Macht, gespielt hatte.
Beobachtungen dieser Art sind es, die mir Assia Djebars Literatur so unverzichtbar erscheinen lassen, denn sie vermitteln etwas von jener immer rarer werdenden Differenziertheit im Umgang mit den sogenannten ethnischen Fragen. Sie zeigen, im Gegensatz zur These vom Recht auf Selbstbestimmung der Völker, wie komplex die Verhältnisse in Staaten sind, in denen mehrere Ethnien nicht nur voneinander getrennt, sondern auch mit- und durcheinander leben; und inzwischen gibt es kaum mehr Staaten, in denen das anders wäre.
Da lässt sich nichts vereinfachen, zurücknehmen oder ungeschehen machen. Darum greifen die Nationalstaaten klassischen Zuschnitts schon nicht mehr weit genug, und erst recht nicht jene neu erstellten, die kaum der Kolonialherrschaft entronnen, ihr eigenes Unterdrückungssystem etablieren, als gelte es, die Lektionen des Nationalismus innerhalb einer Generation exemplarisch zu repetieren. Das Nationale aber hat nichts zu tun mit jener Sehnsucht nach der Muttersprache, die Assia Djebar nicht schreiben kann und »die darum vor ihr glitzert wie eine Fliehende im diamantenbesetzten Kleid der Poesie...«.
Einer der ermordeten Freunde, ein Psychiater, der erzählt, dass jeder Patient, der ihn aufsuche, die Sprache bestimme, in der sie miteinander sprächen, erklärt: »Wie eine Sprache auf uns abfärbt, welche Gefühle sie bei uns wachruft, wenn wir das wissen, sind wir im Kern aller Veränderungen angelangt!«
Sehr vieles von diesem Wissen über den »Kern der Veränderung« findet sich bei Assia Djebar, als ein Wissen, das sich nicht nur durch Herkunft legitimiert, sondern auch das Ergebnis von beabsichtigter und hartnäckiger Rückverfolgung ist, von Studien und Recherchen, getragen von einem Bewusstsein, das eben dieses Wissen immer wieder in Frage stellt.
Genau genommen, gibt es drei große Themenkomplexe im gesamten Schaffen von Assia Djebar, die kaum voneinander zu trennen sind; erstens die Geschichte Algeriens von der Eroberung 1830 an über die Kolonialisierung bis hin zum Unabhängigkeitskrieg von 1954 bis 1962, von dem lange nur »als von den Ereignissen« berichtet wurde.
Dass die Geschichte Algeriens einen bislang kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungenen weiblichen Anteil hat, der sowohl über Mütter als auch über Kämpferinnen verfügt, führt zum zweiten großen Thema, dem der weiblichen Stimme, die die Mauern des Harems durchdrungen hat, um sich auf der Straße, in Spitälern und Universitäten Gehör zu verschaffen.
»Wir«, heißt es in »Die Frauen von Algier«, »vom matten Raunen verlorener Frauenstimmen umgeben, wir nehmen noch ihre alte Wärme wahr. Aber nur selten das Verdorren. Eine Welt, aus der sich der Junge entfernt, sobald er größer wird, aus der sich heute aber auch das Mädchen entfernt, das sich emanzipieren will. Besonders für Mädchen ändert sich durch diese Distanzierung letztlich nur der Schauplatz ihrer Stummheit: Sie tauschen das Frauengemach und die frühere Gemeinschaft gegen eine oft trügerische Zweisamkeit mit dem Mann ein. Plötzlich offenbart die Realität der Gegenwart ihr ungeschminktes Gesicht, das keinen Bezug zur Vergangenheit mehr hat: Der Laut ist wirklich abgerissen.«
So geht es auch Hajila, der von ihrer Vorgängerin ausgesuchten zweiten Frau in »Die Schattenkönigin«, die fügsam und verschleiert mit der Zeit ebenfalls nach der Freiheit, ihr Gesicht zu zeigen, verlangt. Auch sie hat das Frauengemach und die frühere Gemeinschaft gegen eine trügerische Zweisamkeit mit dem Mann eingetauscht. Einem Mann, der der Emanzipation seiner ersten, »modernen« Frau hilflos gegenüberstand und der, wie sich herausstellt, auch mit einer traditionellen, besser gesagt, einer pseudotraditionellen Kleinfamilie nicht zurechtkommt.
Gerade in diesem Buch wird mit großer sprachlicher Intensität dargetan, wie sehr die Menschen ihren Erinnerungen ausgeliefert sind, wie sehr sie in ihrem Eigenen, der ursprünglichen Sprache und den Gebräuchen der Kindheit verankert sind. Wie wichtig dieses Eigene, an das die Empfindungsfähigkeit gebunden zu sein scheint, für die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ist und wie sehr es in Träumen, in Erinnerungen und in krisenhaften Momenten wieder durchlebt wird.
In einem viel späteren Buch, »Nächte in Straßburg«, wird sich zeigen, wie dieses unreflektiert gelebte Eigene einerseits zum Mord an der »fremden« Frau, diesmal der Französin, führt, während es im anderen Fall, zwar bewusst reflektiert, aber deshalb noch nicht automatisch, die Liebe zum »anderen« zur Folge hat.
Die Algerierin Thelja verlebt neun Nächte mit dem Elsässer François, Nächte voller Leidenschaft, sinnlicher Leidenschaft, aber auch der Leidenschaft des gegenseitigen Erkundens. Beide gehen in diesen Nächten bis in den privatesten Urgrund ihrer persönlichen Geschichte zurück, und dennoch bleibt Thelja nur der Wunsch »Ich würde Sie gerne lieben«, nicht aber die Liebe selbst, die sich keinem Bemühen erschließt.
Das Elsässische als bloß gesprochene Sprache spielt in diesem Buch dieselbe Rolle, die dem Berberischen in den anderen Büchern zukommt. Eine erstaunliche Beobachtung, wie dieser quasi unschuldige Dialekt, der, im Gegensatz zum Französischen, nicht mit der Kolonialzeit und der damit verbundenen Diskriminierung in Zusammenhang gebracht wird und als eine Art Sprache der Integration dienen kann.
Das dritte grosse Thema von Assia Djebar aber ist der Islam. Ihre Annäherung an ihn ist unspektakulär, bis auf den großen Roman »Fern von Medina« meist nur in einzelnen, eingeschobenen Sätzen kommentiert, und selbst diese scheinen sich beim ersten Hinsehen bloß als Erinnerungen an den Kinderglauben zu präsentieren.
In den deutschsprachigen Rezensionen scheint dieser Aspekt überhaupt kein Thema zu sein, selbst der Roman »Fern von Medina« wurde, im Gegensatz zu anderen Büchern Assia Djebars, kaum besprochen. Aber gerade dieses Buch fasst alle Hauptthemen der Autorin auf geradezu programmatische Art in eins. Der historische Aspekt ist genauestens recherchiert, auch wenn es die Fakten mit viel Fiktion verbindet; es sucht den weiblichen Anteil nicht nur dingfest, sondern gegenwärtig zu machen; und es lässt einen Islam durchscheinen, wie er einst vielleicht gemeint war.
Schon in »Fantasia« gibt es Sätze, die eine geradezu sehnsüchtige Annäherung an den Islam, nicht so sehr als Bekenntnis, denn als persönliche kulturelle Tradition und somit zum Eigenen gehörend, verraten. Ein Lied, »Abrahams Klage«, jedes Jahr zum Fest des Hammelopfers von einem Tenor im Radio gesungen, hat das islamische Bewusstsein des kleinen Mädchens geformt.
Erzählungen der Tante über den Propheten provozieren die erste kritische Auseinandersetzung. Der Prophet wäre ob seiner Visionen in der berühmten Grotte dermaßen beunruhigt gewesen, dass er »darüber weinte«. Da habe seine erste Frau Khadidja ihn auf die Knie genommen, um ihn zu trösten. Und diese Khadidja sei auch der erste Moslem gewesen, vielleicht noch vor dem Propheten. Das elfjährige Mädchen aber entrüstet sich: »Und das soll ein Prophet sein? Ein Mann, den seine Frau auf die Knie nimmt?«
Eine andere Erzählung der Tante hat sich der späteren Schriftstellerin eher mit Rührung eingeprägt. Lange nach dem Tode Khadidjas habe der Prophet seine Tränen nicht unterdrücken können, als die Schwester seiner verstorbenen Frau sich seinem Zelt näherte und ihre Schritte genauso klangen wie die von Khadidja.
»Das Heraufbeschwören dieser Sandalenschritte könnte in mir einen Anfall von Verlangen nach dem Islam wecken«, schreibt Assia Djebar Jahre später. »In ihn hineintauchen wie in die Liebe, mit brausendem Herzen: mit Leidenschaft und allen Gefahren der Gotteslästerung.« Ein Weg, wie die islamische Mystik ihn seit Jahrhunderten gegangen ist, eben bis zur Gotteslästerung als höchster Liebesbezeugung.
Es konnte nicht ausbleiben, dass eine Dichterin, die sich so rückhaltlos dem Erinnern als Disziplin verschrieben hat, eines Tages daranging, die historischen Quellen aus der Entstehungszeit des Islam zu sichten. Und es wäre nicht Assia Djebar, wenn sie nicht den weiblichen Anteil erkennbar machen und zum Sprechen bringen würde. Wobei sie den Texten der Chronisten, die sie studiert hat, durchaus Genauigkeit zugesteht, jedoch »neigten diese bereits aus Gewohnheit dazu, jegliche weibliche Präsenz zu verbergen. Es war also notwendig, die im kollektiven Gedächtnis klaffenden Lücken mit Fiktion wieder aufzufüllen, um einen Raum zu schaffen...«.
In »Fern von Medina« konstruiert Assia Djebar 17 Frauenschicksale, die sich zur Zeit des Propheten so oder so ähnlich zugetragen haben. Die Namen und einiges ortendes Material stammen aus den islamisch akkreditierten Quellen, alles andere ist einfühlsame Fiktion. Es ist von Sängerinnen, Königinnen und Kämpferinnen die Rede, von den ersten Frauen des Islam, von den Frauen des Propheten, von geschichtlich beglaubigten Wort- und Kampfführerinnen. Vor allem aber von Fatima, der ältesten Tochter des Propheten.
Immer wurde von Ali, Vetter und Schwiegersohn Mohammeds, dem Manne Fatimas und letztem der vier rechtgeleiteten Kalifen, gesprochen. Assia Djebar aber spricht von Fatima, die der Prophet so sehr geliebt hatte, dass er Ali verbot, sich eine zweite Frau zu nehmen. So wie er selbst 25 Jahre lang Khadidja, seine erste Frau und Mutter Fatimas, bis zu deren Tod als einzige zur Ehe hatte.
Fatima, die, nicht wie ein Sohn es fraglos gewesen wäre, »Schreiber bei seinem Tode sein«, das bedeutet, das geistige Erbe ihres Vaters verwalten durfte, könnte dazu, wie es in »Fern von Medina« heißt, sehr wohl gesagt haben: »Für die Mädchen und Frauen bestand die Revolution des Islam vor allem darin, dass er ihnen ein Erbe zugesteht, dass sie von ihrem Vater bekommen, was ihnen zusteht. Zum ersten Mal in der Geschichte der Araber wurde dies eingesetzt, und Mohammed war der Vermittler!« Doch kaum war Mohammed tot, hatte man seiner Tochter dieses Erbe vorenthalten, und auch ihr Mann, Ali, konnte es erst viel später antreten, zu spät, um die Abspaltung der Partei Aus, der Schia, noch zu verhindern.
Assia Djebar hat in diesem Buch die Entstehungsgeschichte der muslimischen Zivilisation nachgezeichnet, indem sie den Frauen und Töchtern der Muslime das Wort erteilte, mit der Intelligenz einer gebildeten Frau, die es versteht, historische Quellen zu lesen und die aus ihrer Erfahrung als Algerierin heraus ein besonderes Gespür für Unrecht hat. Ein Gespür, das auch von anderen Frauen artikuliert wurde, wie zum Beispiel von Camille Claudel, wenn sie in einem Brief an Rodin schreibt: »Es gibt immer etwas Abwesendes, das mich quält.«
Gequält von diesem Abwesenden ist auch Thelma aus »Nächte in Straßburg«, die ebenfalls jenes immer wieder zitierte zerstückelte Leben lebt. Getrennt von der Kultur ihrer Kindheit, so wie von ihrem eigenen Kind, aufbrechend in die Moderne und bestürmt von Gefühlen, die den Harem in sich noch nicht überwunden haben. »Ein Fremder?«, muss sie sich eingestehen, »Das heißt, jemand, den ich nicht so lieben könnte wie in dem Lied, mit der ganzen Innigkeit der Sprache meiner Kindheit.«
Aber die Formen der Zuneigung sind vielfältig. Selbst wenn das verlassene Kind trotz allem Aufbruch in uns weiterlebt, haben wir die Möglichkeit, neue Bindungen einzugehen. Bindungen, die es gestatten, miteinander zu leben und, wie Assia Djebar es in ihrem Werk tut, uns gegenseitig zu erkunden, mit der Leidenschaftlichkeit der Liebe und der Hartnäckigkeit der Hoffnung.
Ich freue mich in meinem Herzen darüber, dass Assia Djebar heute mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wird, und gratuliere ihr hiermit aufs schwesterlichste.
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Barbara Frischmuth
Laudatio
Mein Ziel war, die bleierne Stummheit der algerischen Frauen spürbar zu machen, die Unsichtbarkeit ihrer Körper, denn auch sie kehrte zurück, zusammen mit einer rückschrittlichen, nach außen abgeschotteten Tradition.
Assia Djebar - Dankesrede
Assia Djebar
Frankfurter Rede
Dankesrede
Wenn ich heute vor Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels für das Jahr 2000 entgegennehme, kommen mir plötzliche Zweifel: Ich fürchte, unter dem symbolischen Gewicht einer so ehrenvollen Auszeichnung ins Wanken zu geraten! Ich würde Ihnen gern als einfache Schriftstellerin gegenübertreten, die aus Algerien kommt, einem Land des Aufruhrs und der Zerrissenheit bis heute. Ich wurde in einem muslimischen Glauben erzogen, der seit Generationen der Glaube meiner Vorfahren war, der mich emotional und geistig geprägt hat und gegen den ich mich, eingestandenermaßen, auflehne wegen seiner Verbote, aus denen ich mich bisher nicht völlig lösen konnte.
Ich schreibe also, doch auf Französisch, in der Sprache des ehemaligen Kolonisators, die jedoch, und zwar unverrückbar, zur Sprache meines Denkens geworden ist, während meine Sprache der Liebe, des Leidens und auch des Gebets (manchmal bete ich) das Arabische, meine Muttersprache, ist.
Und da ist noch die berberische Sprache meiner Heimatregion, die im ganzen Maghreb gesprochen wird, die Sprache Antineas, der Königin der Tuareg, bei denen lange das Matriarchat herrschte, die Sprache Jugurthas, der den Widerstandsgeist gegen den römischen Imperialismus zum Äußersten führte, eine Sprache, die ich nicht vergessen kann, deren Rhythmus mir stets gegenwärtig ist, obwohl ich sie nicht spreche. Ich glaube nun, dass es diese Sprache ist, in der ich, ohne es zu wollen, in meinem Innern »Nein« sage; als Frau und vor allem in meinem andauernden Bemühen als Schriftstellerin.
Das Berberische, so scheint mir, ist die Sprache der Unbeugsamkeit. Man könnte dahinter den Wunsch nach Verwurzelung oder Wiederverwurzelung - sozusagen den Wunsch nach einer Genealogie - vermuten, aber mir ist klar geworden: Wäre ich Keltin, Baskin oder Kurdin, es wäre für mich nicht anders. An gewissen wichtigen Stationen seines Lebenswegs »Nein« sagen - etwa, wenn die erste Sprache sich aufbäumt und im Innern vibriert, weil die Übermacht des Staates, der Religion oder offener Unterdrückung alles daransetzt, diese erste Sprache auszulöschen. Dieses »Nein« könnte halsstarrig scheinen, als ein Rückzug oder auch als Verweigerung gegenüber einem verführerischen kollektiven Trend oder einer Mode. Ein instinktives »Nein« zum Schutz des eigenen Selbst, das fast sinnlos wirkt, wie ein Ausdruck eines Stolzes, der im Abseits bleiben möchte. Im Grunde geht es aber um mehr: um die Integrität des kulturellen und moralischen Ich, um einen Vorbehalt, der weder bedacht noch rational ist, kurz, um ein »Nein« des Widerstands, das manchmal in einem aufkommt, bevor der Verstand eine Rechtfertigung dafür gefunden hat. Ja, dieses dauerhafte innerliche »Nein«, ich höre es in mir, in berberischer Form und berberischem Klang - und es erscheint mir als Fundament meiner Persönlichkeit und meiner literarischen Dauerhaftigkeit.
Gewiss, die Berber tauchen in der geschriebenen Geschichte vor allem in lateinischer Sprache auf, bei Sallust, einem korrupten Politiker und zweifelhaften Historiker, dem Verfasser des Klassikers »Der Jugurthinische Krieg« aus dem Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung - und dort wurden die Berber häufig als hinterlistige Gegner dargestellt.
Doch in seiner Auflehnung gegen Rom, das damals, fünfzig Jahre vor Julius Caesar, unbezwinglich war, ging der unbezähmbare Jugurtha bis ans bittere Ende, und so kam es, dass in Nordafrika beim Widerstand gegen spätere Invasionen (der Araber, Spanier, Türken und schließlich der Franzosen) jedesmal das Phantasiebild dieses heldenhaften Vorfahren heraufbeschworen wurde!
Ich habe im Zusammenhang mit meiner literarischen Arbeit von Dauer gesprochen, doch dieser zeitliche Begriff ist vielleicht missverständlich. Ich schreibe, seit mindestens vier Jahrzehnten veröffentliche ich Bücher. Aber ich sollte vielleicht mit den Momenten des Schweigens und der Abwesenheit vor Sie treten, mit meinen Vorbehalten, meinen Weigerungen aus früherer oder aus jüngerer Zeit, die ich selbst nicht immer verstehe, zumindest nicht sogleich. Ich sollte auch von meinen Fluchten sprechen (denn zum Schreiben braucht man wirklich Raum) - dies alles ist mein Exil.
Beim Schreiben kenne ich nur eine Regel, die ich ganz allmählich in der Einsamkeit und fern der literarischen Betriebsamkeit gelernt und erkannt habe: nämlich zu schreiben, nur aus Notwendigkeit. Schreiben als ein Graben in die Tiefe, als Vordringen ins Dunkle und Ungewisse! Gegen etwas anschreiben, ein Schreiben im Widerspruch, in der Auflehnung, die manchmal stumm ist, die einen erschüttert und das ganze Wesen durchdringt. Dieses »Gegen« ist zugleich ein »Hin zu«, das heißt, ein Schreiben der Annäherung, des Zuhörens, des Bedürfnisses nach Nähe. Es will menschliche Wärme einfangen, Solidarität, doch dieses Bedürfnis ist zweifellos utopisch, denn ich stamme aus einer Gesellschaft, wo die Beziehung zwischen Mann und Frau außerhalb der Familie von soviel Härte und Schroffheit geprägt ist, dass es einem die Sprache verschlägt!
Ganz am Anfang, vor dem ersten, frühreifen Hervorsprudeln meiner literarischen Aktivität, war ein plötzlich sich öffnender Horizont, eine ungeahnte Chance. Es ist ganz klar, ich wäre nicht Schriftstellerin geworden, wenn ich mit zehn, elf Jahren nicht meine Schulbildung hätte fortsetzen dürfen. Dieses kleine Wunder habe ich meinem Vater zu verdanken, er war Lehrer, ein Mann der Moderne, und er brach mit dem muslimischen Konformismus, der mich fast unweigerlich zum eingesperrten Leben der heiratsfähigen Mädchen bestimmt hätte.
Ebenso hätte ich fünf, sechs Jahre später nicht mit solchem Eifer den literarischen Weg eingeschlagen, wenn ich (das ist vielleicht überraschend) nicht mit solcher Leidenschaft anonym durch die Straßen der Städte hätte wandern können, als Passantin, als Schauende, als verhinderter Junge, und bis zum heutigen Tag, als Spaziergängerin. Für mich ist dies die allererste der Freiheiten, die Freiheit, sich zu bewegen, unterwegs zu sein, die immer wieder überraschende Möglichkeit, über sein Kommen und Gehen zu bestimmen, von drinnen nach draußen, vom privaten in den öffentlichen Raum und umgekehrt. Hier in Europa erscheint dies für heranwachsende Mädchen selbstverständlich. Für mich war es Anfang der 50er Jahre ein unglaublicher Luxus.
Was hat Wandern durch die Straßen mit den Worten eines Romans zu tun, werden Sie fragen, mit der Energie, die zu jeder Phantasie und Fiktion gehört? Hier geht es doch um die Bewegung des weiblichen Körpers, hier verläuft eine scharfe Grenzlinie, wenn eine Gesellschaft im Namen einer verratenen, versteinerten Tradition die Hälfte ihrer selbst, nämlich die Frauen, einzusperren versucht, manchmal sogar erfolgreich! Schreiben bedeutet für mich zunächst, immer eingedenk dieses schwarzen Horizonts, in der Sprache, in der ich zu Hause bin, diese nicht zu unterdrückende Bewegung »des Körpers in Freiheit« wiederzugeben, fast möchte ich sagen: sein Abheben.
Im Maghreb der Kolonialzeit - er war konservativer als die städtischen Gesellschaften Ägyptens und des Nahen Ostens - mussten meine Cousinen und nahen weiblichen Verwandten von der Heiratsfähigkeit an bis zum beginnenden Alter in Klausur leben. Es ging darum, die Frauen vor dem Auge, dem Kontakt, dem Zugriff des Fremden (Nicht-Muslimen) zu verstecken. Was im Algerien des 19. Jahrhunderts als eine Strategie scheinen konnte, um die Identität zu bewahren, war zu einer fast lückenlosen Unterdrückung des weiblichen Geschlechts geworden.
Der Drang nach Worten, die ich schreiben, den anderen oder einfach dem Himmel zuwerfen möchte, entsteht bei mir also in den Füßen, den Beinen, und in meinem freien Blick, der auf die anderen gerichtet ist. Zweifelsohne ist das die Rache einer ganzen Ahnenreihe, die hinter mir steht, all die Vorfahrinnen, die mit zwölf Jahren eingeschlossen, dann verheiratet wurden und vor Sehnsucht und Groll im Schatten der Balkone erstickten, bis sie das respektable Alter von fünfzig oder sechzig Jahren erreicht hatten!
Auf meinem Weg als Schriftstellerin erfasste mich einmal ein Schwanken, ein tiefgreifender Selbstzweifel, der mich lange Zeit schweigen ließ. Zehn Jahre publizierte ich nichts, aber ich konnte mein Land durchstreifen - für Reportagen, Befragungen, schließlich für Filmaufnahmen. Ich war erfüllt von dem Wunsch, mit den Bäuerinnen zu sprechen, mit Dorfbewohnerinnen aus Regionen mit unterschiedlicher Tradition, wie auch von dem Bedürfnis, zum Stamm meiner Mutter zurückzukehren, zwölf Jahre nach der Unabhängigkeit.
»Im Staub sitzen, am Straßenrand«, so habe ich in meinem Essay »Ces voix qui m'assiègent« jenen Abschnitt meines Lebens überschrieben, in dem ich über die visuelle Chronik eines Alltags, der sich deutlich wandelte, einen Film im Rhythmus der weiblichen Erinnerung drehte - mit Rückblenden, wenn meine Großmutter vom Widerstand der kriegerischen Vorfahren erzählte oder von frischen Erinnerungen an die Kämpfe von gestern...
Nur in jenen Tagen war es mir möglich, in Osmose mit den Meinen zu arbeiten und etwas zu schaffen. Ich legte jetzt eine Schrift in den Raum und horchte in die Landschaften meiner Kindheit, tauchte ein in den arabischen Dialekt der Zwiegespräche. Plötzlich fasste eine Frau vom »Mont Chenoua« einen Splitter ihres Leids wieder in berberische Sprache. Am Schluss dann in Französisch der Monolog der Wandernden durch ein Territorium, in dem Vergangenheit und Gegenwart einander antworten.
Es waren die zwei oder drei glücklichsten Jahre meines Lebens: Der Versuch, diese Orte der Erinnerung wirklich kennen zu lernen, wurde zu einer Möglichkeit, sich selbst anzuerkennen, sich selbst wiederzufinden.
1978/79. Mein abendfüllender Film wurde von fast allen Kinoliebhabern Algiers gegeißelt (man vermisste in ihm den »sozialistischen Realismus«), anschließend erhielt er jedoch auf den Filmfestspielen von Venedig den Preis der Internationalen Kritik. Als ich vierzig wurde, kehrte ich nach Paris, wo ich studiert hatte, zurück. Ich beschloss, dort aus der Distanz zu schreiben, um dennoch auf das Herz Algeriens zu zielen - auf tief Verborgenes, auf seine dunkelsten Erinnerungen, auf die Verstrickungen des algerisch-französischen Verhältnisses. Mir fehlte aber noch eine Form und Erzählstruktur, die dieser Fragestellung, diesem Anspruch angemessen war.
Walter Benjamin, der Paris so gut kannte, er hatte die Stadt schon 1913 bereist und verbrachte dann die 30er Jahre in ihr als politischer Flüchtling, hat gesagt, in Paris fühle sich ein Fremder immer zu Hause, weil man diese Stadt bewohnen könne, wie man seine vier Wände bewohnt ...
Er, der »Flaneur« schlechthin, der als erster über die Pariser Passagen schrieb, hatte nur seltene und oberflächliche Kontakte mit Franzosen, das bezeugt Hannah Arendt, seine Freundin bis zum Schluss.
Auch ich, die nun im Herzen des ehemaligen »Empire« lebte, hielt mich in einem gewissen Abstand von der französischen Gesellschaft, von der ich nur die Sprache übernahm. Diese Sprache des Schreibens war zu meinem einzigen Territorium geworden, auch wenn ich mich eher an ihren Rändern aufhielt. Als wenn ich nackt von meiner Heimat aufgebrochen wäre und nur sie hätte, um mich zu umhüllen! Sie als mein einziger Mantel. Bis dahin war die französische Sprache für mich eher eine Art Schleier gewesen, zumindest in meinen frühen Romanen, Fiktionen, die unter Meidung alles Autobiografischen um die Orte der Kindheit herumschlichen, von ihrer Sonne geblendet wurden und sich dann dem Halbschatten der traditionellen Häuser näherten.
Ich hatte beschlossen, »im Angesicht« und »im Innern« meiner Heimat zu schreiben, gleichsam aus einer nahen Ferne. Dazu brauchte ich wie der Fotograf, der zurücktreten muss, um sein Motiv nicht zu zerstören, eine sehr weite Perspektive.
Mit oder trotz der sogenannt fremden Sprache musste ich an mein Land alle Fragen stellen, so war meine Überzeugung, Fragen zu seiner Geschichte, seiner Identität, zu seinen Wunden, seinen Tabus, zu seinen verborgenen Schätzen und zur kolonialen Enteignung während eines ganzen Jahrhunderts. Dabei ging es nicht um Protest, nicht um Anschuldigungen. Wir hatten ja die Unabhängigkeit errungen, zu einem hohen Preis! Es ging lediglich um die Erinnerung, um diese Tätowierungen durch Revolte und Kampf. Was in unsere Herzen, ja, in den Glanz unseres Blicks unauslöschlich eingegraben war, galt es festzuhalten, zu bewahren, und sei es in der französischen Literatur und in lateinischer Schrift.
Anfang der 80er Jahre nach Paris zurückzukehren und aus diesem Drang nach Erinnerung heraus zu schreiben, das schien ganz und gar nicht brandaktuell - zumindest wenn man sich am letzten Schrei der Pariser literarischen Zirkel orientierte.
Was bewegte mich damals eigentlich, angesichts der französischen Kritik, die, wie ich meine, traditionell war und in den Texten der Autoren »aus den ehemaligen Kolonien« nur nach Schlüsseln für eine unmittelbar soziologische Interpretation suchte? Bewegte mich ein verspäteter Nationalismus? Gewiss nicht, es war nur die Sprache. Nur die französische Sprache, in die ich bei Tag und Nacht eintauchte. Doch um in ihr meine Besonderheit als Algerierin besser auszudrücken (im Autobiografischen, an das ich mich nun endlich herantraute). Ich musste diese Sprache, in der ich schrieb, in gewisser Weise um das erleichtern, was an Unheil auf ihr lastete, um ihre zwiespältige, dunkle Vergangenheit in Algerien. Wegen dieser Sprache waren früher schließlich das Arabische und Berberische aus den Schulen und der Öffentlichkeit verbannt worden ...
Mein Ziel war, die bleierne Stummheit der algerischen Frauen spürbar zu machen, die Unsichtbarkeit ihrer Körper, denn auch sie kehrte zurück, zusammen mit einer rückschrittlichen, nach außen abgeschotteten Tradition.
Dazu musste ich zunächst als Schriftstellerin (die Aufgabe eines jeden Schriftstellers liegt in der Sprache), die französische Sprache, die mit den Besatzern 1830 nach Algerien eingedrungen war, packen und auswringen, verzeihen Sie mir diese Metapher, und all ihren schädlichen Staub herausschütteln ... Während der gewalttätigen vierzig Jahre der Eroberung - die ich den »Ersten Algerienkrieg« nenne - war diese Sprache auf Wegen vorgedrungen, die mit Blut, Massakern und Vergewaltigungen befleckt waren. Sie musste mit ihren eigenen Worten gewissermaßen von innen nach außen gekehrt werden.
In der auf die Eroberung folgenden scheinbaren Unterwerfung, im sogenannten befriedeten Algerien zwischen 1920 und 1930, begannen die Wörter, die Figuren und Mythen sowie das in allen Farben Schillernde dieser Sprache in den Schulen Einzug zu halten - die glasklare Sprache von Descartes, die reine und scharfe Sprache von Racine, die Volten Diderots und die Pracht Victor Hugos -, all diese Juwelen begannen sachte zu glänzen. Einige wenige dieser Schulen waren den Kindern vorbehalten, die man »Eingeborene« nannte, dazu gehörte auch die Klasse meines Vaters, der Lehrer in einem Dorf in der Mitidja war...
»Fantasia« ist daher eine doppelte Autobiografie, in der die französische Sprache zur Hauptfigur wird, in einer unerwarteten Personifikation, die mir erst später bewusst wurde. Ich rief die vergessenen Szenen der Kämpfe zwischen Algeriern und Franzosen wieder wach, legte daneben Splitter aus meiner Kindheit, in denen die französischen Wörter bis in die Harems schlüpfen, wie Strahlen des Lichts und der Revolte. Hatte ich das gegenwärtige Ersticken der Frauen spürbar gemacht, das noch langsamer, noch unheilbringender war als das buchstäbliche Ausräuchern der rebellierenden Stämme in ihren Zufluchtshöhlen in den Bergen rund um meine Stadt, das einst von den Eroberern verfügt wurde?
»Ich muss auf alle Fragen antworten!«, wiederholte ich mir. Oder wenigstens ihr Bedrängendes zum Ausdruck bringen: für mich, für die Frauen, die wie ich hatten fortgehen müssen, um Sauerstoff zum Leben zu haben - aber auch für die anderen Frauen, die Schweigenden, die Gedemütigten, die mit verglühtem Herzen gestorben waren, da sie um die Erniedrigung wussten.
In diesem Ringen mit der Geschichte schrieb ich »Fantasia«, danach »Schattenkönigin« und die übrigen Bände der Tetralogie über Algier.
Als ich mich wie eine Immigrantin in einer Vorstadt von Paris niederließ, hatte ich mir nicht vorgestellt, dass ich mich in den folgenden Jahren mit den Wechselfällen, den Entladungen, dem Wahnsinn und dann mit der Gewalt und den tagtäglichen Morden befassen würde, wie wir sie in den Spalten der Tageszeitungen lesen konnten und die das Gesicht meines Landes verzerrten!
Eine einsame, ohnmächtige Suche in meinen Büchern, meine Fragen wurden immer fassungsloser.
In der Sprache des Anderen schreiben, sie atmen, dennoch mit dem Ohr stets außerhalb ihres Raums bleiben, außerhalb der Schrift. Wie hätte ich anders die französische Sprache, ihren ursprünglichen Rhythmus, ihren Atem beugen können, wenn ich nicht, auch in einem Exil ohne Ende, die Verankerung in den mir nahen Stimmen bewahrt hätte - Stimmen des Zorns und der Sanftmut, barbarische und kehlige Stimmen, die vertrauten Stimmen aus meiner Kindheit an den Orten der Frauen, laut schallende Improvisationen der Besucherinnen von Heiligtümern, Stimmen der Sängerinnen und der Verzweifelten.
Und immer natürlich Stimmen außerhalb des Französischen, daher ungezähmt wirkend, rebellisch: »Analphabetinnen« nannte man die Unbekannten um mich herum, als ich klein war, denn sie kannten nicht einmal das arabische Alphabet, außer auf den Amuletten, die sie mir unter der Bluse um den Hals hängten, während sie mich streichelten. »Sie sollen dich in der Schule beschützen.« Gemeint war natürlich die Schule der Franzosen.
Daher glaubte ich lange, dass die Reise durch die Nacht der Frauen mir die Kraft, die Energie, das zähe Vertrauen meiner Vorfahrinnen erschließen würde. Ich träumte davon, dass sie mir ihr Geheimnis des Überlebens weitergeben würden, wenn ich nur versuchte, den Lauf des Flusses zurückzuverfolgen, die zurückfließenden Wasser oder, anders ausgedrückt, das Aufgehen im Strom der mündlichen Überlieferung.
Man vergisst es so oft: Cervantes lebte von 1575 an fünf Jahre lang als Sklave in Algerien. Noch war er nicht der Romanautor, aber ein unerschrockener Kämpfer, der bei der Schlacht von Lepanto einen Arm verloren hatte. Von Piraten wurde er auf dem Mittelmeer gefangengenommen. Er lebte dann längere Zeit in meiner Heimat, in einer Welt, die der Gegenpol zum christlichen Universum war. Die »Fliehende«, die er später in seinem »Don Quichote« erfand, ist möglicherweise das erste literarische Bild Algeriens. Ihr Vater hatte ihr alle Reichtümer geschenkt, nur nicht die Freiheit, sie flieht und lässt den christlichen Sklaven frei, dieser erzählt ihr Abenteuer in einer Herberge in Spanien.
Dieser »Zoraidé« aus dem spanischen Meisterwerk habe ich in meinem Roman »Weit ist mein Gefängnis« meine Mutter nachgebildet. Ich habe an die Wege meiner Mutter erinnert, die, bis sie fast vierzig war, als Städterin nach der Tradition gelebt hatte (in einer Stadt, die wiederbesiedelt wurde, nachdem die Andalusier im Jahr 1610 vertrieben worden waren) und die dann kurz vor 1960 die Kraft fand, das Mittelmeer zu überqueren und durch ganz Frankreich zu reisen, um ihren jungen Sohn zu besuchen, von einem Gefängnis zum anderen, denn er war ein politischer Gefangener. Was diese Reisen an Kühnheit, an verschwiegenem Mut, an heimlicher Scham beinhalten mussten, zumal für eine Muslimin, schien mir die Aura jener bedeutenden Figur von Cervantes zu verdienen.
So füllte sich für mich die weibliche Überlieferung mit Licht, die Vorgeschichte war wieder in Bewegung gekommen: Meine Großmutter, die ich bis dahin nur als alte Erzählerin der Heldensagen ihres Stammes gesehen hatte, erstand neu unter meiner Feder, als junges Mädchen, das von den Bergen herunterstieg, um mit dreizehn Jahren an einen reichen Notablen der Stadt »vergeben« zu werden. Kurz darauf war sie Witwe und kehrte zurück in ihre erste »zaouia«, ihr Dorf, heiratete zwei weitere Male, um dann 1920 beim Richter-Kadi die Trennung ihrer Ehe und die Verwaltung ihrer eigenen Güter zu beantragen, was der Islam den Frauen seit Jahrhunderten zugesteht. Von da an wird sie in der Stadt mit der andalusischen Vergangenheit, in der sie sich niederlässt, ihre Fäden ziehen, Rat geben, den anderen Frauen Schiedsrichterin sein und dabei noch ihre fünf Kinder aufziehen.
Um die gleiche Zeit, zwischen 1880 und 1920, sehen wir eine ihrer Zeitgenossinnen, aber in Ägypten. Hoda Sha'rawi, die aus dem Großbürgertum stammte, wurde zur ersten Feministin der arabischen Welt, für die Ägypterinnen ein größeres Vorbild als später Simone de Beauvoir für die Französinnen.
Sie wurde als Tochter einer sehr wohlhabenden und einflussreichen Persönlichkeit geboren. Sie verbrachte ihre Kindheit in einem echten Harem mit Eunuchen (kastrierten sudanesischen Sklaven). Aber sie erhielt zu Hause zusammen mit ihrem jüngeren Bruder auch eine ausgezeichnete Bildung. Außer Arabisch lernte sie Türkisch, die Sprache ihrer tscherkessischen Mutter, und Französisch, sie spielte Klavier. Um ihr bedeutendes Erbe in der Familie zu halten, wurde sie jedoch als Dreizehnjährige mit ihrem viel älteren Cousin ersten Grades verheiratet. Zehn Monate später verlässt sie den Gatten und nimmt ihre abgebrochene Jugend wieder auf, sie dürstet nach Wissen.
1922 gründet Hoda Sha'rawi, die den Schleier in der Öffentlichkeit bereits abgelegt hat, die erste Frauenunion Ägyptens sowie die erste Frauenzeitschrift. Bis zu ihrem Tod 1947 scharte sich die Frauenbewegung bei politischen und kulturellen Demonstrationen immer um sie. Im Maghreb träumte meine Mutter in den 30er Jahren mit ihren Freundinnen von diesem Aufbruch der Ägypterinnen, der Syrerinnen, der Türkinnen und Iranerinnen. Heute jedoch sind die Bewegungen der ersten Hälfte des Jahrhunderts völlig in Vergessenheit geraten, es bleibt nur noch die Erinnerung an die Sängerinnen, Oum Kalsum und ihre Nachfolgerinnen. Wort, Gesang und Schrift: Was wäre unsere »Inspiration« ohne die Suche nach jenen verdunkelten Worten, wenn sie nicht am unterirdischen Fluss der namenlosen Erinnerung und der unsichtbaren Sprache trinken würde, die sich vermischen, manchmal kaum wahrnehmbar.
Unterdrückte Schreie festhalten, Sprechen und Schweigen wechseln und vermischen sich, kurz bevor sie sich auflösen!
Oktober '88 in Algerien. Eine Woche der Wirren in der Hauptstadt, ausgelöst von einer Jugend, die schon viel zu lange ohne Arbeit ist, zum Teil unter der Führung der Islamisten oder unter ihrem Einfluss steht. Nach einigen Tagen des Aufruhrs lässt der geschwächte algerische Präsident die Armee auf die unbewaffneten Demonstranten schießen. Es gibt mehrere hundert Tote! Eine Tragödie, die eine düstere Zukunft ankündigt.
Gleich in den ersten Tagen war ich nach Algier geeilt, um meiner Tochter zur Seite zu stehen, die eben ihr Studium begann. Ich saß in einer Wohnung hoch über der Stadt fest und beobachtete mehrere schlaflose Nächte lang, wie die Panzer während der Ausgangssperre durch die Straßen der Hauptstadt fuhren!
Ohne Kassandra sein zu wollen, konnte ich vorhersehen, dass die Fundamentalisten im folgenden Jahr ins Zentrum des politischen Geschehens zurückkehren würden. Sie würden sich gewiss mit diesen unschuldigen Toten schmücken, aber auch entschlossen ihre Karikatur eines ursprünglichen Islam durchsetzen wollen. Zunächst war die erste Folge des schrecklichen Dramas das Ende der Einparteienherrschaft - einer »Befreiungsfront«, die seit 26 Jahren nichts mehr befreite - aber auch die Legalisierung einer religiösen politischen Partei, eine Maßnahme, die im Widerspruch zur Verfassung stand, denn in ihr war eine Trennung von Kirche und Staat zumindest formal garantiert!
Ich kehrte nach Paris zurück, und, um nicht zu zerbrechen, beschloss ich, mich mit diesem ursprünglichen Islam zu befassen, nur mit Hilfe meiner Erfahrung als Historikerin. Über Nacht begann ich, im Jahr 632 nach Christi Geburt zu leben, in Medina, in dem Augenblick, als der Prophet Mohammed im Sterben liegt: die Probleme der politischen Nachfolge, schon der Keim der Spaltung; die Rolle der Ehefrauen und Töchter, des Sendboten, seiner Gefährten, der ersten Kalifen. Vor allen anderen, ganz vorne an die Bühne tretend, Fatima, die Tochter des Propheten, wie eine echte Antigone, mit ihrer Stimme des Leids, des klarsichtigen, bitteren Zorns, mit ihrem Protest. Der heftige Protest aller Frauen, der durch sie spricht!
Ich tauchte ein in die Entzifferung der arabischen Chronisten Ibn Saad und Tabari, Wort für Wort, Kapitel für Kapitel. So wollte ich meine Muttersprache hören, in dieser Tönung, diesem Rhythmus, dieser Nüchternheit, auch mit ihren Lücken. Wie der große Michelet in seiner Vision von der Geschichte Frankreichs schrieb: »Da war ein seltsames Zwiegespräch zwischen der alten Zeit und mir, zwischen mir, der sie wiedererweckte, und ihr, die wiedererstand.« Ich schrieb »Fern von Medina«, um mich der alten Zeit anzunähern, die wieder erstand, aber auch den Leidenschaften, dem freien und vielfältigen Sprechen der Frauen von Medina, ob sie nun unbedeutend waren oder bekannt, die aber diese islamische Geschichte überlieferten und in ihr handelten.
Ich erinnere mich, ich hatte fast zwei Jahre an dem Buch geschrieben. Als ich Mitte Juni '90 im Haus meines Vaters das Wort »Ende« unter mein Manuskript setzte, erwachte ich mit einem Schlag wieder zur Gegenwart in Algier: Drei Tage später siegten die Fundamentalisten des FIS tatsächlich bei den Kommunalwahlen!
Mein Traum von einem offenen, egalitären Islam, so schien es mir jetzt, war aus meinen Worten erstanden wie eine Sandburg! Mein Buch wurde gleichzeitig in Algier und Paris veröffentlicht (auch das Verlagswesen begann, sich aus der Bevormundung durch den Staat zu befreien). In mehreren algerischen Städten und Universitäten habe ich es in Diskussionen verteidigt.
Wie soll ich von den acht Jahren des algerischen Wahnzustands sprechen, die folgten und auch in meinen Büchern Widerhall fanden? Wie von meinem Leben sprechen, das fortan dem Exil geweiht ist? Auch wenn es ein Exil in Bewegung ist!
Vielleicht kann ich diesen Teil meines Lebenswegs in dem Titel zusammenfassen, den ich meinem Nachwort zu »Oran, langue morte« gegeben habe - einer Chronik von Attentaten, von Angst und Schrecken, wie sie mir von Verwandten, von verlorenen oder wiedergefundenen Freunden berichtet wurden.
Ich hatte in dem Nachwort die kurzen Sätze jener Menschen festgehalten - oder verwandelt? -, die ich in jenem Frühjahr und Sommer '96 oft zufällig auf den Straßen von Paris antraf, es waren kurzatmig gesprochene Berichte von gewaltsamem Tod, von der Angst, von den Greueln (eine Lehrerin wurde etwa vor ihren Schulkindern enthauptet), und wenn ich selbst diese Episoden schreibend nacherlebte, seufzte ich vor Ohnmacht, vielleicht auch vor Staunen über die Verbissenheit, dies alles festzuhalten, die Spur aufzuzeichnen.
Denn tatsächlich wurde ich ungeduldig. Warum immer nur Tod? Warum über den Tod schreiben?
»Das Blut«, das hielt ich dort fest, »trocknet nicht in der Sprache!« Und ich drehte und wendete diese Metapher, vielleicht vergeblich. Um auf meine Weise aus der Falle herauszukommen. Denn die Schrift, damit meine ich das Geschriebene in jeder Literatur ebenso wie jede Form von erleuchtendem Sprechen, teilt die Trauer oder das Verbrechen nicht einfach mit. Das Geschriebene ist ja keine wortreiche Inschrift auf einer Grabplatte, keine Projektion in den leeren Raum, damit einige tausend Exemplare mit schwarzen Ameisenspuren auf Papier in Umlauf sind, dem Tod wie ein Geschenkpaket zugeworfen.
Nein, das Schreiben, dem ich mich in dem algerischen Unglück widme, ist ein Alarmsignal, ein Hilferuf (zur Hilfe für mich selbst?). Es ist die schwebende Zwiesprache mit dem Freund, auf den die Hacke niederging, in dessen Kopf die Kugel einschlug, während du weiterlebst, während du dich nach der kleinsten Einzelheit fragst, kurz bevor er oder sie, die du gekannt hast, zum Opfer, zur Leiche, erstarrt sind, verstummt!
Schreiben ist also ein Tanz mit Phantomen, und solange man selbst lebt, durchströmt einen das Bedürfnis zu erzählen als einziger Antrieb - es ist nicht einmal mehr die Sprache, sie könnte formlos werden, oder, warum nicht, eine Zeichensprache für Taubstumme; der rote Faden der Erzählung hält einen aufrecht, der Wille, etwas zu sagen oder der ungebärdige Wunsch, nicht zu vergessen. Manche würden sagen, der Stahl des Widerstands.
Edmond Jabès, der seinem Geburtsland Ägypten Entrissene, bemerkte einmal in der Mitte seines Lebens: »... die Wege der Tinte sind die Wege des Bluts!« Er schrieb in Paris, und ich würde sagen, mit sehr leiser Stimme.
Es gibt diese Kraft, die kaum sichtbar, ungreifbar und für die Tagesaktualität so uninteressant ist, mir scheint, dass sie mir Kraft gibt: die klare, zerbrechliche Kraft des Schreibens. Oder, in meinem Fall, das noch unerkannte, lastende Schweigen der Musliminnen, das vor diesem Schreiben liegt.
Ich möchte, zum Schluss, diese letzten acht Jahre meines Landes die »Josefsjahre« nennen.
Erinnern Sie sich: Josef, auf Arabisch Yussuf, wird zu Unrecht beschuldigt und viele Jahre in das Gefängnis des Pharaos gesperrt. Es zeigt sich, dass er Träume zu deuten versteht. Diese Gabe der Weissagung - oder der Interpretation - weckt das Interesse des Pharaos. Er schickt einen Boten, der ihn befreien und zu ihm bringen soll. Da weigert sich Josef aus Gewissenhaftigkeit, hinauszugehen (es ist die Version des Koran von der Geschichte, die ich in der Erzählung »La beauté de Joseph« erläutere): »Kehr zu deinem Herrn zurück«, sagt er, »und frag ihn, wie es mit den Frauen steht.« Sie sollen »meine Unschuld bekennen«.
Diesen Aufschub der Geschichte - Josef wartet noch auf der Schwelle des Gefängnisses - liebe ich besonders; denn der Text der 12. Sure ist von verwirrender literarischer Schönheit. In dieser Version ist es das Urteil der Frauen (sie waren erfüllt von Liebesbegehren nach Josef wegen seiner Schönheit und mussten das Verbot hinnehmen, dass sie ihn nicht lieben durften), das Josef die Freiheit zurückgibt und ihm seinen außergewöhnlichen Aufstieg in Ägypten gewährt, obwohl er ein Fremder ist!
Im Gegensatz zur Genesis berichtet der Koran nicht von der Frau Potiphars als böser Verleumderin. Im Gegenteil, sie und ihre Gefährtinnen können Josef, indem sie ihn von Schuld freisprechen und »Gottes Barmherzigkeit« anrufen, mit ihrer Rede der Wahrheit, tatsächlich die Freiheit schenken.
Daraus beziehe ich eine hartnäckige Hoffnung: Auf den Spuren dieses Koranverses werden die in Algerien lebenden Frauen durch ihre Leiden und durch ihre Rede der Wahrheit uns aus der Zwinge dieser schrecklichen Jahre befreien.
Damit der Friede bald wiederkehrt, ein Friede der Gerechtigkeit und gegen das Vergessen, möchte ich heute diesen Friedenspreis, den ich in Empfang nehme, folgenden verstorbenen algerischen Schriftstellern widmen: dem Romanautor Tahar Djaout, dem Dichter Youssef Sebti und dem Dramatiker Abdelkader Alloula, die alle drei in den Jahren '93 und '94 ermordet wurden.
Ich widme ihn auch dem ersten von uns Literaten aus dem Maghreb, Kateb Yacine, dem Dichter, Romanautor und Dramatiker, der 1989 starb, kurz vor unseren »Josefsjahren«, die er, das weiß ich, vorausgesehen hatte.
Aus dem Französischen von Beate Thill
Dankesrede Assia Djebar
Französisch
Discours de Francfort
En recevant aujourd'hui devant vous, Mesdames et Messieurs, ce Prix des Editeurs et Libraires allemands, Prix de la Paix 2000, j'hésite soudain: je crains qu'une si prestigieuse distinction ne me fasse chanceler sous son poids symbolique! Je voudrais me présenter devant vous comme simplement une femme-écrivain issue d'un pays, l'Algérie tumultueuse et encore déchirée. J'ai été élevée dans une foi musulmane, celle de mes aieux depuis des générations, qui m'a façonnée affectivement et spirituellement, mais à laquelle, je l'avoue, je me confronte, à cause de ses interdits dont je ne me délie pas encore tout à fait.
J'écris donc, et en français, langue de l'ancien colonisateur, qui est devenue néanmoins et irréversiblement celle de ma pensée, tandis que je continue à aimer, à souffrir, également à prier (quand parfois je prie) en arabe, ma langue maternelle.
Je crois en outre que ma langue de souche, celle de tout le Maghreb, je veux dire la langue berbère, celle d'Antinéa, la reine des Touaregs où le matriarcat fut longtemps de règle, celle de Jugurtha qui a porté au plus haut l'esprit de résistance contre l'impérialisme romain, cette langue donc que je ne peux oublier, dont la scansion m'est toujours présente et que pourtant je ne parle pas, est la forme même où, malgré moi et en moi, je dis »non«: comme femme, et surtout, me semble-t-il, dans mon effort durable d'écrivain.
Langue, dirais-je, de l'irréductibilité. Et plutôt que d'évoquer, sur ce point, un désir d'enracinement ou de réenracinement, pour ainsi dire de généalogie, je voudrais préciser que si j'avais été celte, ou basque, ou kurde, cela aurait été de même pour moi: dire »non« à certaines étapes essentielles de mon parcours ... et le dire quand la langue de la première origine se cabre, et vibre en vous, en des circonstances ouïe pouvoir trop lourd d'un Etat, d'une religion ou d'une évidente oppression ont tout fait pour l'effacer, elle, cette première langue. Dire »non« ainsi, qui peut paraître un »non« d'entêtement, de silence, de refus de participation à une poussée collective de séduction - ou de mode -, cet instinct pas seulement de préservation individuelle, mais qui serait un »non« quelquefois apparemment gratuit, ou de pur orgueil de l'ombre. En somme cette intégrité du moi intellectuel et moral, ce recul ni prudent ni raisonné, bref, ce »non« de résistance qui surgit en vous quelquefois avant même que votre esprit n'ait réussi à le justifier, eh bien, c'est cette permanence de »non« intérieur que j'entends en moi, dans une forme et un son berbères, et qui m'apparaît comme le socle même de ma personnalité ou de ma durée littéraire.
Certes les Berbères de l'histoire écrite, écrite en particulier en latin par un Salluste, politicien corrompu et historien redoutable, auteur du classique »La guerre de Jugurtha«, un siècle avant l'ère chrétienne - ces Berbères donc de l'histoire occidentale furent souvent présentés comme de perfides ennemis.
Mais il a suffi qu'un Jugurtha, non domestiqué, soit allé jusqu'au bout de son défi contre une Rome encore invincible - cela 5O ans avant Jules César - pour qu'en Afrique du Nord, chaque résistance contre les invasions ultérieures (contre les Arabes, les Espagnols, les Turcs puis les Français) invoquât le fantôme de cet ancêtre héroique!
J'ai parlé de ma durée littéraire, et cette notion temporelle pourrait prêter à équivoque. J'écris, je publie depuis quatre décennies au moins. Tout compte fait, je devrais plutôt me présenter devant vous avec mes absences, mes silences, mes réticences, mes refus anciens ou récents que je ne comprends pas toujours, du moins sur le moment; j'ajouterais même mes fuites (car il me faut vraiment de l'espace pour écrire); je dirais donc plutôt mes exils!
Je ne sais qu'une règle, apprise et éclaircie, certes, peu à peu, dans la solitude et loin des chapelles littéraires: ne pratiquer qu'une écriture de nécessité. Une écriture de creusement, de poussée dans le noir et l'obscur! Une écriture »contre«: le »con-tre« de l'opposition, de la révolte, quelquefois muette, qui vous ébranle et traverse votre être tout entier. Contre, mais aussi tout contre, c'est-à-dire une écriture du rapprochement, de l'écoute, le besoin d'être auprès de..., de cerner une chaleur humaine, une solidarité, besoin sans doute utopique car je viens d'une société où les rapports entre hommes et femmes, hors les liens familiaux, sont d'une dureté, d'une âpreté qui vous laissent sans voix!
Au départ, avant le jaillissement premier et précoce de mon activité d'écrivain, il y eut l'espace donné, un horizon soudain ouvert, une chance inattendue. Il est clair en effet que je n'aurais jamais été écrivain si, à 10 ou 11 ans, je n'avais pu continuer mes études secondaires; or ce petit miracle fut rendu possible grâce à mon père instituteur, homme de rupture et de modernité face au conformisme musulman qui, presque immanquablement, allait me destiner à l'enfermement des fillettes nubiles.
De même, 5 ou 6 années plus tard, je ne serais pas entrée en littérature avec ardeur si (et cela peut surprendre) je n'avais pas aimé marcher dans les rues des villes en anonyme, en passante, en voyeuse, en garçon manqué, et encore maintenant, en simple promeneuse. C'est pour moi la première des libertés, celle du mouvement, du déplacement, la surprenante possibilité de disposer de soi pour aller et venir, du dedans au dehors, du lieu privé aux lieux publics et vice versa. Cela paraît tout simple ici, aujourd'hui, en Europe pour des adolescentes. Cela fut, pour moi, au début des années 50, un luxe incroyable.
Qu'a à voir la marche au dehors, diriez-vous, avec les mots des romans, avec l'élan propre à l'imagination et à toute fiction? Mais il s'agit ici du mouvement du corps féminin: là se place la ligne la plus acérée de la transgression quand une société, au nom d'une tradition trahiée et plombée, tente et réussit parfois, même aujourd'hui, à incarcérer ses femmes, c'est-à-dire la moitié d'elle-même. Ecrire pour moi, gardant à l'esprit cet horizon noir, c'est d'abord recréer dans la langue que j'habite le mouvement irrépressible du »corps au dehors«, je dirais presque son envol.
A l'époque du Maghreb colonial - plus conservateur alors que la société citadine de l'Egypte et du Moyen-Orient -, mes cousines, mes parentes proches se retrouvaient recluses de l'âge de la nubilité jusqu'au début de la vieillesse. Cacher ses femmes de l'œil, du contact et de l'emprise des étrangers (parce que non-Musulmans), ce qui avait pu sembler une stratégie de sauvegarde identitaire dans l'Algérie du XlXè siècle était devenu une oppression presque sans faille sur la gent féminine. Chez moi, donc, le désir des mots à écrire, à lancer aux autres ou simplement au ciel, naît de mes pieds, de mes jambes ainsi que de mon regard libre, posé sur les autres. C'est là sans doute la revanche, en ma personne, de toute la lignée derrière moi, des aieules cloîtrées à 12 ans, puis mariées, qui ont étouffé de langueur, de rancœur dans l'ombre des patios, jusqu'à la cinquantaine ou soixantaine respectables!
Puis, dans mon trajet d'écrivain, il y a eu un tangage, une interrogation profonde qui m'a fait me taire longtemps: dix années de non-publication, mais pendant lesquelles j'ai pu arpenter mon pays, pour des reportages, pour des enquêtes et enfin des repérages de cinéma, envahie que j'étais par un besoin de dialoguer avec des paysannes, des villageoises de régions aux traditions diverses, besoin aussi de revenir à ma tribu maternelle, cela douze ans après l'indépendance.
»Assise au bord de la route, dans la poussière», ainsi ai-je intitulé dans mon essai« Ces voix qui m'assiègent cette période de ma vie où, à travers une chronique visuelle de ce quotidien aux mutations visibles, je réalisai un film au rythme de la mémoire féminine - retours en arrière quand ma grand-mère me racontait la résistance des ancêtres guerriers, souvenirs récents de la lutte d'hier.
Ce fut seulement à cette époque que j'ai pu travailler et créer en osmose avec les miens: écriture de l'espace et de l'écoute, dans les paysages de l'enfance, l'oreille immergée dans l'arabe dialectal des dialogues, retour du berbère dans tel éclat de souffrance d'une femme du »Mont Chenoua«, monologue en français enfin de celle qui déambule dans un territoire où passé et présent serépondent.
Ce furent les 2 ou 3 années les plus heureuses de ma vie: chercher vraiment à connaître ses lieux de mémoire, cela devient se re-connaître, se retrouver!
1978/79. Mon long-métrage fut vilipendé par presque tous les cinéphiles d'Alger (puisqu'on n'y retrouvait pas l'optimisme du »réalisme socialiste«); il fut honoré ensuite d'un Prix de la critique internationale à la Biennale de Venise. Au tournant de la quarantaine, je retournais à Paris, la ville de mes études. De là, je décidai d'écrire à distance pour viser désormais au cœur même de l'Algérie - son tréfonds, sa mémoire la plus obscure - dans un nœud algéro-français complexe; mais encore me fallait-il trouver une forme et une structure narratives à la hauteur de ce questionnement, de cette ambition.
Walter Benjamin, qui connaissait si bien Paris qu'il avait découvert dès 1913 et où il vécut les années 30, en réfugié politique, disait qu'» à Paris, un étranger se sent chez lui parce qu'on peut habiter cette ville comme on habite ailleurs ses quatre murs...«
Lui, le »flâneur de Paris« dans le sens le plus plein et qui écrivit le premier sur les »passages« parisiens, il entretenait en fait des relations rares et superficielles avec les Français: c'est Hannah Arendt, son amie j usqu'à la fin, qui témoigne.
Pour ma part, installée désormais au cœur de l'ancien »Empire«, je me mettais, moi aussi, à distance de la société française dont je ne gardais que la langue! Cette langue d'écriture devenue mon seul territoire, même si je campais plutôt sur ses marges. Comme si, repartie nue de chez moi, je m'enveloppais seulement de cette langue! Elle, mon unique manteau! Jusque là, l'écriture française avait été pour moi une sorte de voile, du moins dans mes premiers romans, fictions qui, évitant l'autobiographie, ne hantaient vraiment que des lieux d'enfance, s'éblouissant de leur soleil ou s'approchant de la pénombre des maisons traditionnelles.
Dorénavant, résolue avec détermination à écrire »devant« et »dedans« mon pays, dans une sorte de proche éloignement, j'avais besoin, comme le photographe qui recule pour ne pas écraser son sujet, d'une perspective la plus vaste.
Avec ou malgré la langue dite »étrangère«, j'avais à poser, sur mon pays, toutes les questions, décidais-je! Sur son histoire, sur son identité, sur ses plaies, sur ses tabous, sur ses richesses cachées et sur la dépossession coloniale de tout un siècle - et il ne s'agissait ni de protestations ni de réquisitoires. L'indépendance, nous l'avions payée au prix fort! Il ne s'agissait que de mémoire, que de tatouages de la révolte et du combat, rendus ineffaçables dans nos cœurs et jusque dans l'éclat de notre regard, à devoir inscrire, à conserver, même en lettres françaises et alphabet latin!
Revenir au début des années 80 à Paris et écrire dans cette pulsion mémorielle, cela certes ne paraîtrait pas de brûlante actualité - si l'on se référait du moins aux »saisons littéraires« des cénacles parisiens.
Face à une critique française, je dirais, traditionnelle - qui ne cherchait dans les textes des écrivains »ex-colonisés« que des clefs pour interprétation sociologique immédiate - moi, qu'est-ce qui m'animait donc? Un nationalisme à retardement? Non, bien sûr, seulement la langue. Uniquement la langue française dans laquelle je m'immergeais la nuit, le jour. Mais pour mieux dire ma spécificité algérienne (par l'autobiographie que j'abordais enfin), il me fallait en quelque sorte alléger cette langue d'écriture de son poids d'ombre, de son passé équivoque et trouble en Algérie, elle au bénéfice de laquelle avaient été exclus autrefois des écoles et des lieux publics l'arabe et le berbère.
Si je voulais faire sentir le trop lourd mutisme des femmes algériennes, l'invisibilité de leurs corps, revenue avec le retour d'une tradition rétrograde et plombée, j'avais d'abord - en tant qu'écrivain (le devoir de tout écrivain étant un devoir de langue) - j'avais, pardonnez-moi cette métaphore, à me saisir de cette langue française entrée en Algérie avec les envahisseurs de 1830 et à l'essorer, à la secouer devant moi de toute sa poussière compromettante. Pendant les quarante ans violents de la conquête - que j'appelle »la première guerre d'Algérie« -, cette langue s'était avancée autrefois sur des chemins de sang, de carnage et de viols. Il fallait, par elle et avec ses propres mots, la renverser en quelque sorte sur elle-même!
Puis, dans la soumission apparente qui suivit, ce qu'on appelait »!'Algérie pacifiée« des années 1920 et 1930, les mots, les figures et le rythme et toutes les diaprures de la langue, de la belle langue - la transparente de Descartes, la pure et acérée de Racine, la virevoltante de Diderot et la somptueuse de Victor Hugo -, tous ces joyaux se mirent à pénétrer et à briller un peu dans les écoles, parmi lesquelles un petit nombre était réservé aux enfants dits »indigènes«, dont la classe de mon père, instituteur dans un village de la Mitidja.
»L'Amour, la Fantasia » est ainsi une double autobiographie où la langue française devient le personnage principal, proso-popée inattendue dont je me rendis compte à posteriori. Je réveillais les scènes d'affrontement algéro-français oubliées, tout en livrant des éclats de mon enfance où les mots français se glissaient jusque dans les harems, tels des rais de lumière et de révolte. Avais-je fait sentir l'étouffement présent des femmes, plus lent, plus pernicieux que l'asphyxie, autrefois, des tribus rebelles, décidée par les conquérants, dans les montagnes proches de ma ville?
»Répondre, répétais-je, à toutes les questions!« Sinon, en faire sentir l'urgence; pour moi, pour celles comme moi qui avaient dû partir, seulement pour l'oxygène de leur vie; mais aussi pour les autres femmes, les silencieuses, les humiliées qui étaient mortes, le cœur brûlé, parce que conscientes de tous les dénis.
Ce fut dans ce corps à corps avec l'Histoire que j'écrivis »L'Amour, la Fantasia«, puis »Ombre sultane« et la suite d'un quatuor romanesque d'Alger.
Je n'avais pas prévu que, vivant ainsi comme une émigrée en banlieue parisienne, j'allais, les années suivantes, me confronter avec les sursauts, les fureurs, les délires puis ... puis la violence et les meurtres, au jour le jour, que nous avons vu s'inscrire sur les pages des quotidiens et défigurer l'image de mon pays!
Quête solitaire et d'impuissance dans mes livres; mes questions devenaient de plus en plus béantes.
Langue de l'autre à écrire et qu'on respire, mais mon oreille restait, reste toujours hors champ, hors la lettre. Comment d'ailleurs aurais-je pu infléchir le français, dans son rythme et son souffle premiers, si je ne gardais pas, même dans l'exil le plus distendu, l'ancrage dans des voix familières, voix de fureur et de douceur, barbares et gutturales, internes, celles des lieux féminins de l'enfance, celles vociférantes et improvisées des visiteuses de sanctuaires, celles des lyriques ou des désespérées.
Toujours naturellement hors français, donc semblant ensauvagées, en tout cas rebelles: »analphabètes« disait-on des inconnues autour de moi, fillette, parce que sans même l'alphabet arabe, excepté pour des amulettes qu'elles me pendaient au cou, sous mache mise et avec des caresses, »pour me protéger àrécole«, soufflaient-elles. Entendez, à l'école des Français.
C'est ainsi que j'ai cru longtemps que toute navigation dans la nuit des femmes me ferait retrouver la force, l'énergie, la foi des aieules inébranlables. Je rêvais qu'elles me transmettraient, elles, leur secret de survie, pour peu que je tente cet effort de remonter le courant, les eaux du reflux, disons de la dispersion dans l'oralité.
On l'oublie souvent: Cervantes vécut esclave 5 ans à Alger, à partir de 1575. Pas encore romancier, mais guerrier intrépide, ayant perdu un bras à la bataille de Lépante, il se fait capturer par des corsaires en Méditerranée. Il vivra longtemps chez moi dans un monde fonctionnant à l'exact opposé de l'univers chrétien. La »fugitive« qu'il imaginera plus tard dans son »Don Quichotte« pourrait être la première image littéraire d'Algérienne: elle que son père comblait de toutes les richesses, sauf de la liberté, elle fuit et fait fuir l'esclave chrétien qui raconte leur aventure dans une auberge, en Espagne.
A la suite de cette Zoraidé du chef d'oeuvre espagnol, j'ai osé faire entrer ma mère dans mon roman »Vaste est la prison«. J'ai rappelé la trajectoire maternelle, elle vivant en citadine traditionnelle (une ville justement repeuplée d'Andalous expulsés en 1610), et cela jusqu'à près de 40 ans, elle trouva assez d'énergie, peu avant 1960, pour traverser la Méditerranée et sillonner la France, rendre visite, de prison en prison, à son fils, jeune détenu politique. L'audace de ces voyages, ce qu'ils impliquaient en courage silencieux, en secrète pudeur, pour une Musulmane, il me semblait qu'ils réitéraient cette aura du personnage de Cervantes!
La transmission féminine s'est alors rééclairée, pour moi, plus en arrière; l'anamnèse s'est remise en mouvement; ma grand'mère, que je ne voyais jusque là qu'en aieule conteuse de la geste tribale a ressuscité sous ma plume, mais en adolescente descendant de la montgne pour être »donnée«, à 13 ans, à un riche notable de la cité. Veuve peu après, elle retournera à la »zaouia« première, se mariera deux autres fois, pour demander, en 1920, au juge-cadi, la séparation conjugale avec la gestion de ses biens, ce que l'Islam permet aux femmes depuis des siècles. A partir de là, dans la cité au passé andalou où elle s'installe, elle va régenter, conseiller, servir d'arbitre pour les autres femmes, tout en élevant ses 5 enfants.
A cette même période, entre 1880 et 1920 environ, voici l'une de ses contemporaines, mais en Egypte. Il s'agit de la grande Hoda Sha'rawi, issue de la haute bourgeoisie, elle qui va devenir la première féministe du monde arabe, plus exemplaire pour les Egyptiennes que, plus tard, Simone de Beauvoir pour les Françaises.
Elle naît fille d'un très riche et influent personnage. Elle a passé son enfance dans un véritable harem, avec des eunuques (esclaves soudanais castrés). Mais elle reçoit, à domicile, en même temps que son jeune frère, une instruction de qualité. Elle apprend, outre l'arabe, le turc, langue de sa mère circassi-enne, et le français; elle joue du piano. Mais, pour conserver dans la famille l'important patrimoine dont elle a hérité, on la marie à 13 ans à son cousin germain bien plus âgé. Dix mois après, elle fuit le mari, reprend son adolescence interrompue. Elle a soif de connaissances.
En 1922, Hoda Sha'rawi, qui s'est déjà affranchie du voile en public, créera la première Union des Femmes Egyptiennes, fondera la première revue de femmes. Jusqu'en 1947, à sa mort, le mouvement des femmes, dans des manifestations politiques et culturelles, se groupera toujours autour d'elle. Au Maghreb, ma mère, dans les années 30, rêvait avec ses amies de cette effervescence des Egyptiennes, des Syriennes, des Turques et des Iraniennes. Amnésie pourtant aujourd'hui sur cette dynamique de cette première moitié du siècle, il ne reste de cet oubli que le souvenir des cantatrices Oum Kalsoum et ses émules. Parole, chant et écriture: que serait notre »inspiration« si elle n'allait pas à la recherche de cette bouche obscure, si elle n'allait pas boire au flux souterrain de la mémoire anonyme, des paroles invisibles, fondues, imperceptibles parfois. Cris étouffés soudain fixés, parole et silence qui se mêlent, tout au bord de la dilution!
Octobre 88 à Alger. Une semaine d'insurrections dans la capitale par une jeunesse trop longtemps désoccupée, encadrée partiellement, ou infiltrée par des islamistes. Après plusieurs jours de désordre, le président algérien affaibli laisse l'armée tirer sur les manifestants désarmés. Le bilan est de plusieurs centaines de morts! Tragédie dont le glas annonce un avenir sombre.
Dès les premiers j ours, j e m'étais précipitée à Alger pour être auprès de ma fille, jeune étudiante. Bloquée dans un appartement des hauteurs, d'une terrasse, j'ai contemplé durant plusieurs nuits d'insomnie les tanks sillonnant la capitale placée sous couvre-feu!
Sans m'imaginer en Cassandre, il m'était aisé de prévoir que, dans l'année qui suivrait, les intégristes reviendraient au centre de la sphère politique. Eux certes auréolés par ces morts d'innocents, mais résolus à imposer leur vision caricaturale d'un Islam des origines. En attendant, les conséquences premières du terrible drame furent la fin du parti unique - un »front de libération« qui ne libérait plus rien depuis 26 ans - mais aussi la légalisation d'un parti politique religieux, mesure en contradiction avec la Constitution qui garantissait un minimum de laïcité!
Je rentrai à Paris et, pour ne pas être brisée, je décidai de me confronter, armée de ma seule expérience d'historienne, à cet Islam des origines. Je me mis, d'un coup, à vivre en 632 après J. C. à Médine, au moment où le Prophète Mohammed va mourir: problèmes de la succession politique, germes déjà de la division, rôle des épouses et des filles du Messager, des Compagnons, du premier Calife et, surtout, irruption sur l'avant-scène de Fati-ma, fille du Prophète, en véritable Antigone avec sa voix de la douleur, de la colère lucide et amère, de la protestation. De la protestation véhémente de toutes les femmes à travers elle!
Je me plongeai dans le déchiffrement, mot après mot, chapitre après chapitre, des choniqueurs arabes Ibn Saad et Tabari. J'avais besoin d'entendre ainsi ma langue maternelle, dans son grain, son rythme et sa sobriété, dans ses trous aussi. Comme l'écrivait le grand Michelet pour sa vision de l'Histoire de France: »Il y eut un étrange dialogue entre lui et moi, entre moi, son ressusciteur, et le vieux temps remis debout.«
J'écrivis donc »Loin de Médine« pour me rapprocher de ce »vieux temps remis debout«, mais aussi des passions, de la parole libre et multiple des femmes de Médine, humbles ou connues, mais transmettrices et actrices de cette histoire islamique.
Après presque 2 ans d'écriture, je me souviens: dans la maison paternelle, à la mi-juin 90, tandis que j'inscrivais le mot fin à mon manuscrit, je me réveillai d'un coup au présent d'Alger: trois jours après, en effet, les intégristes du F. I. S. remportaient les élections municipales!
Mon rêve d'un Islam ouvert et égalitaire s'était construit, me semblait-il, dans mes mots comme un château de sable! Mon livre fut publié à Alger en même temps qu'à Paris (l'édition, elle aussi, commençant à se libérer de la tutelle d'Etat); j'allais le défendre dans plusieurs villes et universités algériennes.
Comment, dès lors, vais-je parler de ces 8 dernières années de transes algériennes qui ont suivi, et, en écho, de mes livres écrits alors? De ma vie désormais vouée à l'exil. Même s'il s'agit d'un exil mouvant!
Pourrais-je résumer cette partie de mon parcours par le titre de ma post-face au recueil de nouvelles »Oran, langue morte«, qui se veut chronique d'attentats, de peurs et d'alarmes rapportés par certains de mes proches, de mes amis perdus ou retrouvés.
J'y avais déposé - ou transmué? - en ce printemps et cet été 1996 les paroles brèves de ceux-ci rencontrés souvent au hasard des rues parisiennes: comptes-rendus haletants parfois sur la mort violente, ou sur l'angoisse, ou la sauvagerie (telle cette in-stiturice décapitée devant ses élèves, des enfants)... et en revivant, à mon tour, ces épisodes, j'ai soupiré d'impuissance, peut-être aussi d'étonnement devant ma persistance à fixer, à garder trace.
Car je m'impatientais en effet: «Pourquoi toujours la mort? Pourquoi toujours écrire sur la mort?«
»Le sang, constaté-je donc, ne sèche pas dans la langue!« Et j'ai tourné et retourné cette métaphore, peut-être en vain. Pour sortir, à ma façon, du piège: non, décidément, l'écriture -je veux dire l'écriture de toute littérature, ainsi que la parole illuminante - n'est pas un faire-part de deuil, ou de crime; non, elle n'est pas une plaque funéraire bavarde, simplement projetée dans l'espace vide, le temps que circulent quelques milliers d'exemplaires de vos pattes de fourmi tracées sur papier, lancés comme un paquet-cadeau à la mort.
Non, l'écriture à laquelle je me vouais dans ce malheur algérien, est-ce l'alarme, est-ce l'appel au secours (au secours de vous-même?). Elle est le dialogue suspendu avec l'ami sur lequel est tombée la hache, dans la tête de qui a sonné la balle, tandis que vous, vous survivez, tandis que vous, vous questionnez sur les tout petits détails, juste avant que celui, ou celle, que vous avez connu soit pétrifié en victime, en cadavre, en silence!
Votre écriture donc danse avec des fantômes et, tant que vous vivez encore, cette nécessité de la narration court en vous comme votre seule électricité - ce n'est plus la même langue, celle-ci pourrait devenir informe ou, pourquoi pas, langue des signes pour sourds-muets; simplement vous soutient le fil de la continuité, de la volonté de dire ou du désir sauvage de ne pas oublier. Certains diraient: l'acier de la résistance.
Edmond Jabès, arraché de son Egypte natale, au milieu de son âge, remarquait: »... les chemins d'encre sont des chemins de sang.« II l'écrivait à Paris, et je dirais, presque à voix basse.
Vais-je pour autant me présenter devant vous avec les mains vides et le stylo glissant de mes doigts? Femme-écrivain, je me revendique du Tiers-Monde.
C'est cette force-là, si peu visible, si impalpable, si peu propice aux projecteurs, me semble-t-il, qui devrait me redresser: la seule force, transparente ou friable, de l'écriture. Ou, dans mon cas, le poids, encore insoupçonné, du silence des Musulmanes en amont de cette écriture.
Finalement, j'appellerai décidément ces dernières années de mon pays »les années de Joseph«!
Rappelez-vous: Joseph, injustement calomnié, est enfermé dans la prison du Pharaon, de longues années. On s'aperçoit qu'il sait interpréter les songes. C'est ce don de préscience - ou d'interprétation - qui intéresse le Pharaon. Celui-ci envoie un messager pour le libérer et l'amener à lui. Alors (et c'est la version coranique que j'ai éclairée dans la nouvelle »La beauté de Joseph«, Joseph refuse de sortir, par scrupule. »Allez d'abord, dit-il, demander aux femmes qu'elles m'innocentent!«
Ce suspens de l'histoire - Joseph sur le seuil de la prison et qui attend -, je l'aime particulièrement car le texte de la sourate 12 est d'une beauté littéraire troublante.
Dans cette version, c'est le verdict des femmes (elles qui étaient dans le désir d'amour de Joseph et dans l'interdit de cet amour) qui rend à Joseph sa liberté et lui permet son ascension extraordinaire en Egypte, lui, l'étranger!
Contrairement à la Genèse, la sourate coranique ne nous rapporte pas une épouse de Putiphar calomniatrice et mauvaise. Au contraire, celle-ci, ainsi que ses compagnes, en innocentant Joseph et en invoquant »la miséricorde de Dieu«, par leur parole de vérité, libèrent véritablement Joseph, ou Youssef en arabe.
Ainsi, j'en ai l'espoir tenace: dans le sillage de cette sourate coranique, les femmes en Algérie, par leurs souffrances et leur parole de vérité, nous libéreront de l'étau de ces années terribles.
Aujourd'hui, pour que la paix revienne bientôt, mais avec la justice et sans l'oubli, je dédie ce »Prix de la Paix zooo« que je reçois aux écrivains algériens disparus, le romancier Tahar Djaout, le poète Youssef Sebti et le dramaturge Abdelkader Alloula, tous les trois assassinés en 1993 et 1994.
Je le dédie aussi au premier d'entre nous - nous, de la littérature du Maghreb d'aujourd'hui - Kateb Yacine, poète, romancier et dramaturge, mort en 1989, peu avant nos «années de Joseph« qu'il avait, je le sais, pressenties.
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Assia Djebar
Dankesrede der Preisträgerin
Chronik des Jahres 2000
+ + + Die Angst vor einem Computer-Chaos durch den Wechsel ins Jahr 2000 erweist sich als unbegründet. Das »große Löschfest« findet nicht statt, weltweit werden keine nennenswerten Probleme registriert. + + + Am 1. Februar rückt die russische Armee nach wochenlangen Gefechten in Grosny / Tschetschenien ein und bringt weite Teile der Stadt unter ihre Kontrolle. Der Tschetschenien-Konflikt verlagert sich in den Untergrund. + + +
+ + + Bundespräsident Rau hält am 16. Februar als erstes deutsches Staatsoberhaupt eine Rede in deutscher Sprache vor der Knesset, dem israelischen Parlament in Jerusalem. + + + In Hamburg wird Ende Juni ein sechsjähriger Junge von zwei Kampfhunden getötet. Am 30. Juni spricht sich der Bundestag einhellig für ein Verbot der Haltung von Kampfhunden in Deutschland aus. + + + Kurz nach dem Start stürzt am 25. Juli eine Concorde auf dem Weg von Paris nach New York ab. Bei der Katastrophe kommen alle 109 Insassen ums Leben. Die Ursache ist wahrscheinlich ein Metallteil auf der Startbahn, das einen Reifen der Maschine zum Platzen brachte und eine Kettenreaktion auslöste. Der Einsatz der Concorde wird eingestellt. + + + Der Vorsitzende der CDU / CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Friedrich Merz, fordert Ende Oktober, dass sich Einwanderer, die auf Dauer in der Bundesrepublik leben wollen, »einer gewachsenen freiheitlichen deutschen Leitkultur anpassen« müssten. Mit dieser Äußerung löst Merz eine breite Debatte über die Zuwanderungs- und Integrationspolitik in Deutschland aus. + + +
Biographie Assia Djebar
Assia Djebar (eigentlicher Name: Fatima-Zohra Imalayène) wurde 1936 in Cherchell, einer kleinen Küstenstadt bei Algier, geboren. Sie besuchte die Koranschule und die französische Grundschule, an der ihr Vater Französisch unterrichtete. Als erste Algerierin wurde sie an der Ecole Normale Supérieure in Paris zugelassen.
1956, in den ersten Jahren des algerischen Unabhängigkeitskampfes, nahm sie am Streik der algerischen Studenten teil. 1958 heiratete sie Ahmed Ould-Rouis, ein Mitglied der Widerstandsbewegung. Diese Ehe wurde 1975 geschieden. 1980 heiratete sie den Dichter Malek Alloula.
Ihr Debüt als Romanschriftstellerin war der Roman "La Soif" (1957, deutsch "Die Zweifelnde", 1993), den sie innerhalb von zwei Monaten während der Studentenunruhen 1956 geschrieben hatte. "Les Impatients" (1958, deutsch "Die Ungeduldigen", 1959) spielt vor dem Unabhängigkeitskampf und handelt von einer jungen Frau, die sich in ihrer Familie gefangen fühlt. "Les Enfants du nouveau monde" (1962) erzählt von algerischen Frauen, die eigene Forderungen entwickeln; die Heldin nimmt an kollektiven Aktionen zum politischen Wechsel teil. Die Themen Liebe und Krieg, Vergangenheit und Gegenwart werden auch in den nächsten Romanen weitergeführt.
Während des Befreiungskampfes arbeitet Assia Djebar als Journalistin und engagierte sich als Assistentin an der Universität von Rabat in zahlreichen algerischen kulruellen Initiativen.
Anfang der 70er Jahre begann Assia Djebar klassisches Arabisch zu studieren, um ihre Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. In ihren späteren Romanen bereicherte sie denn auch die französische Sprache durch Klänge und Rhythmen des Arabischen.
Ihr langes literarisches Schweigen in den 70er Jahren hing einerseits damit zusammen, dass sie feststellen musste, dass sie nie eine Schriftststellerin arabischer Sprache sein würde, andererseits lag es an ihrem Interesse für andere künstlerische Ausdrucksformen. Sie arbeitete an vielen Theater- und Filmprodukltionen mit. Nach der zehnjährigen Phase des Schweigens erschienen seit 1980, beginnend mit dem Tietel "Die Frauen von Algier" (deutsch 1994), Bücher, in denen Assia Djebar einserseits mit neuen Stilmitteln experimentiert, andererseits den Maghreb in seinen Facetten in Geschichte und Gegenwart einfängt.
Assia Djebar unterrichtete über viele Jahre Geschichte an der Universität von Algier. Seit 1997 ist sie Professorin am Zentrum für französische und frankophone Studien der Louisiana State University. Ihre Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Sie wurde mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet und ist seit 1999 Mitglied der Königlichen Belgischen Akademie für Französische Sprache und Literatur.
Assia Djebar ist am 6. Februar 2015 im Alter von 78 Jahren in Paris gestorben.
Auszeichnungen
2006 Grinzane-Cavour-Preis
2005 Pablo-Neruda-Preis
2000 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1999 Medaille der Frankophonie der Académie française
1999 Berufung zum Mitglied der Königlichen Belgischen Académie für französische Sprache und Literatur
1997 Marguerite Yourcenar Prize
1996 Neustadt International Prize for Literature
1995 Prix Maeterlinck
1989 LiBeraturpreis
1985 Franko-Arabischer Freundschaftspreis für Literatur
1979 Preis der Internationalen Kritik, Venedig
1962 Französischer Kulturpreis
Bibliographie
Nirgendwo im Haus meines Vaters. Roman
Aus dem Französischen von Marlene Frucht, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2009, ISBN 9783100145000, Kartoniert, 444 Seiten, 21.95 EUR
Das verlorene Wort. Roman
Aus dem Französischen von Beate Thill, Unionsverlag, Zürich 2004, ISBN 9783293003385, Gebunden, 248 Seiten, 19.90 EUR
Frau ohne Begräbnis. Roman
Aus dem Französischen von Beate Thill, Unionsverlag, Zürich 2003, ISBN 9783293003088, Gebunden, 219 Seiten, 17.90 EUR
Oran - Algerische Nacht. Roman
Aus dem Französischen von Beate Thill, Unionsverlag, Zürich 2001, ISBN 9783293002913, Gebunden, 316 Seiten, 19.43 EUR
Durst. Roman
Aus dem Französischen von Rudolf Kimmig, Unionsverlag, Zürich 2001, ISBN 9783293002791, Gebunden, 156 Seiten, 14.32 EUR
Die Ungeduldigen. Roman
Aus dem Französischen von Wilhelm Maria Lüsberg, Unionsverlag, Zürich 2000, ISBN 9783293201910, Taschenbuch, 236 Seiten, 8.64 EUR
Die Frauen von Algier. Roman
Aus dem Französischen von Alxandra von Reinhardt, Unionsverlag, Zürich 1999