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Friedenspreis 1974

Frère Roger

Der Stiftungsrat für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wählt den Schweizer Gründer und Prior der Bruderschaft Taizé Frère Roger zum Träger des Friedenspreises 1974. Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 13. Oktober 1974, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Anstatt einer Laudatio und einer Dankesrede gibt der Vorsteher des Börsenvereins, Ernst Klett, eine Einführung. Anschließend diskutiert Frère Roger mit Jugendlichen.

Begründung der Jury

Der Börsenverein verleiht seinen Friedenspreis im Jahre 1974 dem Gründer und Prior der Communauté de TaizéFrère Roger.
Er hat, mit seinen Brüdern, Männern aus allen christlichen Konfessionen, ein Stück Oekumene verwirklicht. Er zeigt jungen Menschen jeder Herkunft, aller Glaubens- und Denkrichtungen einen Weg, aus einer hoffnungslos scheinenden zu einer sinnerfüllten Existenz zu finden, jenseits von verkrusteter Theologie, verengender Ideologie.


Aus Gebet und Kontemplation seine Kraft schöpfend, wirkt Frère Roger mit seinen Brüdern in die Welt, leidenschaftlich verkündet er die "Gewalt der Friedfertigen", mutig bereitet er in einer wölfischen Zeit eine menschliche Zukunft vor.

Reden

Und immer deutlicher wird, daß unser Friedenspreis zwar auch einer Person oder einer Gruppe gilt, mit diesen aber deren Sache; öffentliches Interesse soll geweckt werden, Ermutigung ausgesprochen, Antriebe vermittelt [...] – der Friedenspreis als Appell, als Hilfe nach vorne, als Ansporn.

Ernst Klett - Grußwort
Ernst Klett
Grußwort des Vorstehers

Frère Roger und die Communauté haben Ernst gemacht mit Toleranz. Sie sind offen für alle Menschen, in Taizé stellt keiner die Gretchen-Frage; in den Elendsgebieten, wo die Brüder arbeiten, wird geholfen und noch einmal geholfen, so verstehen sie Missionsdienst; unbefangen an die Arbeit gehen, der Forderung des Tages genügen, löschen, wo es brennt, das ist ein Teil dessen, was die Gemeinschaft von Taizé auszeichnet.

Ernst Klett - Statt einer Laudatio
Ernst Klett
Statt einer Laudatio

Wenn wir beten, geschieht es aus Liebe. Wenn wir Diener des Friedens sind, geschieht es aus Liebe. Wenn wir dafür kämpfen, dem Verachteten, dem Ausgebeuteten sein Menschengesicht wiederzugeben, geschieht auch das aus Liebe. Wer betet, wird eines Tages von dieser klaren Gewißheit ergriffen: ohne Liebe, wozu leben?

Frère Roger - Statt einer Dankesrede
Statt einer Dankesrede
Frère Roger im Gespräch mit Jugendlichen

Chronik des Jahres 1974

+++ Die Sowjetunion weist im Februar 1974 den Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn aus. +++ Walter Scheel wird Mitte Mai als Nachfolger von Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten gewählt. +++ Der persönliche Referent von Bundeskanzler Brandt, Günter Guillaume, wird Ende April unter dem Verdacht der Spionage für die DDR festgenommen. Willy Brandt tritt im Verlauf der Agentenaffäre im Mai überraschend mit der Erklärung zurück, dass ein Kanzler nicht »erpressbar« sein dürfe. Helmut Schmidt wird auf Vorschlag Brandts zum neuen Bundeskanzler gewählt. +++


Im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland spielen erstmals die Mannschaften der BRD und der DDR gegeneinander. Die DDR gewinnt mit 1:0. Fußballweltmeister wird die Mannschaft der Bundesrepublik durch einen 2:1-Sieg über die Niederlande. +++ Auf Zypern stehen sich Mitte Juli nach dem Sturz von Präsident Makarios durch griechische Militärs zwei NATO-Partner in einer militärischen Aktion gegenüber. Die Türkei beschuldigt die griechischen Militärs, den Putsch inszeniert zu haben, um Zypern an Griechenland anzuschließen. Erst nach langwierigen Verhandlungen kommt es zu einem Waffenstillstandsabkommen. +++ In Portugal beendet die gewaltlose »Nelkenrevolution« die Diktatur des Regimes unter Marcelo Jose Caetanos. +++ Der US-amerikanische Präsident Richard M. Nixon erklärt im August aufgrund der »Watergate-Affäre« seinen Rücktritt. Sein Nachfolger wird Gerald R. Ford. +++ Holger Meins, einer der RAF-Häftlinge, stirbt im November an den Folgen seines seit September andauernden Hungerstreiks. Daraufhin kommt es in mehreren Städten zu Protestdemonstrationen und Anschlägen. Jean-Paul Sartre besucht Anfang Dezember Andreas Baader im Gefängnis Stuttgart-Stammheim und kritisiert die Haftbedingungen. +++

Biographie Frère Roger

Roger Louis Schutz-Marsauche wird am 12. Mai 1915 in Provence in der Schweiz geboren. Nach seinem Theologiestudium kauft er 1940 im Departement Saone-et-Loire ein leerstehendes Haus, in dem er Verfolgten, vor allem jüdischen Flüchtlingen, eine vorübergehende sichere Bleibe anbietet. 1942 durchsucht die Gestapo das Haus. Roger Schutz kann in die Schweiz fliehen und kehrt zwei Jahre später, nach der Befreiung, zurück.


1949 gründet er zusammen mit sechs weiteren Brüdern einen evangelischen Orden, in den aber auch Angehörige anderer Konfessionen aufgenommen werden. Brüderlichkeit und Versöhnung zwischen den Nationen, Konfessionen und Klassen ist das erklärte Anliegen der Gemeinschaft.
In den 50er Jahren entwickelt sich Taizé zunehmend zu einem Treffpunkt junger Menschen aus allen Teilen Europas. Papst Johannes XXIII. lädt Frère Roger als offiziellen Beobachter des römischen Konzils ein, auch die anderen christlichen Kirchen öffnen sich dem Orden Rogers.

Ab 1974 findet jährlich das »Konzil der Jugend« statt, zu dem Frère Roger Ostern 1970 erstmals einlädt und zu dem sich seither jährlich Zehntausende junger Menschen treffen.

Frère Roger wird am 16. August 2005 in Taizé im Alter von 90 Jahren von einer offenbar geistig verwirrten Frau erstochen.

Auszeichnungen

2003 Dignitas Humana Award
1997 Notre Dame Award
1992 Straßburger Robert-Schuman-Preis


1989 Karlspreis der Stadt Aachen
1988 UNESCO-Preis für Friedenserziehung
1974 Templeton-Preis
1974 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels