Suche

Friedenspreis 1987

Hans Jonas

1987 wurde der deutsche Philosoph und Ethiker Hans Jonas mit dem Friedenspreis ausgezeichnet. Die Verleihung fand am Sonntag, den 11. Oktober 1987, in den Städtischen Bühnen Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hielt Robert Spaemann.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1987 Hans Jonas, dem Philosophen, der mit dem denkenden zugleich den handelnden Menschen und seinen immer schwerer zu überschauenden Entscheidungsspielraum in den Blick rückt.


Hans Jonas stellt sich den politischen Fragen nach den Pflichten des Wissens und der Macht und arbeitet auf eine Philosophie hin, die im Nachdenken über das Leben und Überleben von Mensch und Natur ihre dringlichste Aufgabe sieht. In Sorge um das Menschenbild, um die Natur und um die Welt als Ganzes spürt er einer neuen Dimension des Begriffs Verantwortung nach.

Preisverleihung

Reden

Günther Christiansen
Grußwort des Vorstehers

Jonas zeigt, daß gerade der Gedanke der Optimierungsstrategie dem Gedanken der Verhinderung des Schlimmsten entgegengesetzt ist. Nie hat mehr als heute gegolten, daß das Bessere der Feind des Guten ist. Das »Prinzip Verantwortung« ist bewußt und ausdrücklich dem »Prinzip Hoffnung« entgegengesetzt. Nicht Hoffnung, sondern Sorge muß künftig das leitende Prinzip irdischen Handelns des Menschen sein.

Robert Spaemann - Laudatio auf Hans Jonas
Robert Spaemann
Laudatio

Je freier die Gesellschaft selber ist, je weniger also die natürliche Gattungsfreiheit durch die Herrschaft von Mensch über Menschen beeinträchtigt wird, desto evidenter und unerlässlicher wird im zwischenmenschlichen Verhältnis die Pflicht freiwilliger Begrenzung. Vergleichbares nun tritt ein im Verhältnis der Menschheit zur Natur.

Hans Jonas - Dankesrede
Hans Jonas
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1987

+++ Auf dem Deutschlandtreffen der CDU in Dortmund bezeichnet Bundeskanzler Kohl im Januar 1987 die DDR als »Regime, das politische Gefangene in Gefängnissen und Konzentrationslagern hält«. +++ Bei dem Londoner Auktionshaus Christie’s ersteigert im März ein anonymer ausländischer Sammler das Gemälde Sonnenblumen von Vincent van Gogh für umgerechnet 72,5 Millionen dm – die höchste Summe, die bis dahin für ein Gemälde bezahlt worden ist. +++


Generalsekretär Gorbatschow hält auf einer Sitzung des ZK der KPdSU ein Grundsatzreferat über die Umgestaltung der Gesellschaft und der inneren Parteistrukturen, in dessen Verlauf er schonungslos auf die Mängel und Fehler der Breschnew-Ära hinweist. Er fordert die Entwicklung des »demokratischen Sozialismus« durch mehr innerparteiliche Demokratie. Als Leitlinien gibt Gorbatschow hierzu die Begriffe »Glasnost« und »Perestroika« aus. +++ Beim Gipfeltreffen von US-Präsident Reagan und Gorbatschow in Washington kommt es im Dezember zum Abschluss des Vertrages zur Beseitigung der Mittelstreckenwaffen. +++ In Ost-Berlin kommt es im Juni zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Volkspolizei, nachdem Sicherheitskräfte versuchen, etwa 3000 Rockfans, die vom Brandenburger Tor aus ein Rockkonzert vor dem Reichstagsgebäude in West-Berlin mithören wollen, den Zutritt zu verwehren. Trotz eines großen Polizeiaufgebots fordern die Menschen den Abriss der Mauer und Freiheit. Im September kommt es zu Demonstrationen unabhängiger Friedensgruppen gegen die atomare Rüstung in Ost und West. Die Sicherheitsorgane der DDR schreiten nicht ein. Beobachter vermuten die bevorstehende erste Reise eines DDR-Staatschefs in die Bundesrepublik als Grund für diese Zurückhaltung. +++ Am 11. November wird der zurückgetretene Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Uwe Barschel (CDU), tot in der Badewanne in einem Zürcher Hotel aufgefunden. Die Todesursache bleibt ungeklärt. Barschel musste wegen des Vorwurfs zurücktreten, dass er den SPD-Spitzenkandidaten für die bevorstehenden Landtagswahlen, Björn Engholm, habe bespitzeln lassen.+++

Biographie Hans Jonas

Hans Jonas, geboren am 10. April 1903 in Mönchengladbach, studiert Philosophie, Kunstgeschichte und Theologie und promoviert 1928. 1934, kurz vor Erscheinen seines Werkes Gnosis und spätantiker Geist, emigriert er zunächst nach England, dann nach Palästina.


Nach dem Krieg, an dem er als britischer Soldat teilnimmt, kehrt er nach Jerusalem zurück, um dort als Dozent an der Hebräischen Universität in Jerusalem zu unterrichten. 1949 siedelt Hans Jonas nach Kanada und später in die USA über, wo er ab 1955 bis zu seiner Emeritierung 1976 an der New School for Social Research in New York lehrt. Ein Kernpunkt seiner Arbeit ist die Forderung an den Einzelnen, ethische Verantwortung für Leben und Natur zu übernehmen und sich in die wissenschaftliche und technische Entwicklung einzumischen.

Mit seinem Buch Das Prinzip Verantwortung (1979), das zum Standardwerk über die grundlegenden ethischen Risiken von neuen Technologien ohne soziale Steuerung wird, erlangt er weltweite Aufmerksamkeit. Seine hier geforderte »Fern-Ethik« bürdet dem Einzelnen auch die Verantwortung für das Entfernteste auf, das heißt auch für Kriege in anderen Ländern und für Hunger und Armut in der Welt.

Hans Jonas stirbt am 5. Februar 1993 im Alter von 89 Jahren.

Auszeichnungen

1989 Verdienstkreuz des Landes NRW
1989 Ehrenbürger der Stadt Mönchengladbach
1988 Gr. Bundesverdienstkreuz
1987 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1984 Leopold-Lucas-Preis

Bibliographie

Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation

Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, (Erstausgabe 1979), Klappenbroschur, 400 Seiten, ISBN 978-3-518-42954-9, 18.00 EUR

Erinnerungen

Insel Verlag, Frankfurt am Main 2003, Gebunden, 495 Seiten, ISBN 9783458171560, 24.99 EUR

Das Prinzip Leben. Ansätze zu einer philosophischen Biologie

Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1994, Leinen, 408 Seiten, ISBN 978-3-458-16649-8, 24.99 EUR

Mehr anzeigen