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Friedenspreis 1988

Siegfried Lenz

Der Stiftungsrat hat den deutschen Schriftsteller Siegfried Lenz zum Träger des Friedenspreises 1988 gewählt. Die Verleihung fand während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 9. Oktober 1988, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hielt Yohanan Meroz.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1988 Siegfried Lenz, dem Schriftsteller, dessen vielgestaltiges literarisches Schaffen einen bedeutenden Beitrag zur Durchdringung der deutschen Vergangenheit und zur Frage der deutschen Identität leistet.


Siegfried Lenz beeindruckt durch seine gradlinige Haltung und überzeugt durch die klare Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit seiner Prosa. Sein in viele Sprachen übersetztes Werk ist eine „Deutschstunde“ für Deutsche und für Leser in aller Welt und setzt deutliche Zeichen der Versöhnung und Verständigung.

Preisverleihung

Reden

Günther Christiansen
Grußwort des Vorstehers

Siegfried Lenz bezeugt und vermittelt hohe Moral, aber er ist kein Moralist; er lehrt eindringlich, ohne aufdringlich zu belehren. Er vertraut dem Leser; er übt ihm gegenüber das gleiche Maß an Toleranz, das er in von Zorn und Eifer freier Darstellung selbst walten läßt.

Yohanan Meroz - Laudatio auf Siegfried Lenz
Yohanan Meroz
Laudatio

Wir leben im Frieden, in einem unfertigen, notdürftigen, immer gefährdeten Frieden. Die Kräfte bedenkend, die ihm entgegenstehen, die Belastungen zählend, denen er ausgesetzt ist, die Aufgaben prüfend, die er uns stellt, möchte ich das, womit wir dem Frieden heute dienen können, mit wenigen Worten sagen: Widerstand, Widerstand gegen die, die den Frieden bedrohen mit ihrem Machtverlangen, mit ihrer Selbstsucht, mit ihren rücksichtslosen Interessen.

Siegfried Lenz - Dankesrede
Siegfried Lenz
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1988

+++ Das Jahr 1988 steht im Zeichen von »Glasnost« und »Perestroika«. +++ Nach langjährigen Verhandlungen wird im Februar das Abkommen zur Lösung des Afghanistan-Konflikts unterzeichnet. Es sieht den vollständigen Abzug der sowjetischen Soldaten und die Rückkehr der rund fünf Millionen Flüchtlinge in ihre Heimat vor. Ende Juni fordern führende sowjetische Politiker und Wirtschaftsfachleute auf einer von Parteichef Gorbatschow geleiteten Pressekonferenz tiefgreifende Reformen, ohne die der Demokratisierungsprozess in der UdSSR nicht vorangebracht werden könne. +++


Im August wird der seit 1975 andauernde Bürgerkrieg in Angola durch einen Waffenstillstandsvertrag zwischen Angola, Südafrika und Kuba für beendet erklärt. Zwei Wochen später tritt auch im Ersten Golfkrieg zwischen Irak und Iran ein Waffenstillstand in Kraft. +++ Bei einer Flugschau auf dem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz kommen Ende August durch den Absturz dreier Flugzeuge einer italienischen Kunstflugstaffel 70 Menschen ums Leben. +++ Durch die Wahl Michail Gorbatschows im Oktober zum Vorsitzenden des Obersten Sowjet und damit zum sowjetischen Staatsoberhaupt wird die Reformpolitik in der UdSSR gefestigt. +++
Die Wahlsiegerin der pakistanischen Parlamentswahlen, Benazir Bhutto, wird im Dezember zur neuen Ministerpräsidentin Pakistans ernannt und ist damit die erste Frau an der Spitze eines islamischen Landes. +++

Biographie Siegfried Lenz

Siegfried Lenz, geboren am 7. März 1926 in Lyck / Ostpreußen, wird nach dem Abitur 1943 zur Marine einberufen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs desertiert er und versteckt sich die letzten Kriegsmonate in Dänemark.


Nach dem Krieg beginnt er in Hamburg ein Philosophie- und Literaturstudium, das er jedoch 1948 abbricht, um als Volontär, später als Feuilletonredakteur bei der Zeitung Die Welt zu arbeiten. Seit 1951 ist Siegfried Lenz als freier Schriftsteller tätig.

Bereits sein erster Roman Es waren Habichte in der Luft (1951) handelt von der Erfahrung totalitärer Herrschaft – eins seiner wichtigsten literarischen Themen, mit denen er eine sozialkritische Perspektive entwickelt, gebrochen durch existentielle, manchmal gar pessimistische Motive. Sein 1968 veröffentlichter Roman Deutschstunde macht ihn weltberühmt.

Lenz engagiert sich politisch für die SPD und begleitet 1970 zusammen mit Günter Grass Bundeskanzler Brandt zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages nach Warschau. Auch seine jüngste Erzählung Schweigeminute (2008) wurde zu einem Bestseller.

Siegfried Lenz ist am 7. Oktober 2014 im Alter von 88 Jahren in Hamburg gestorben.

Auszeichnungen

2010 Nonino-Preis
2009 Lew-Kopelew-Preis
2006 Goldene Feder Ehrenpreis für „sein literarisch unvergleichliches Werk“
2005 Preis der Hermann-Ehlers-Akademie


2004 Hannelore-Greve-Literaturpreis
2004 Ehrenbürger von Schleswig-Holstein
2003 Heinrich-Heine-Professur der Universität Düsseldorf
2002 Johann-Wolfgang-von-Goethe-Medaille in Gold
2002 Ehrenbürger von Hamburg
2002 Corine – Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten für das Lebenswerk
2002 Bremer Hansepreis für Völkerverständigung
2001 Weilheimer Literaturpreis
2001 Ehrensenatorenwürde der Universität Hamburg
1999 Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main
1998 Samuel-Bogumil-Linde-Preis
1998 Mercator-Professur der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg
1997 Hermann-Sinsheimer-Preis
1995 Jean-Paul-Preis
1989 Heinz-Galinski-Preis
1988 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1987 Wilhelm-Raabe-Preis für Exerzierplatz und Gesamtwerk
1985 Manès-Sperber-Preis
1984 Thomas-Mann-Preis
1979 Andreas-Gryphius-Preis
1970 Lessing-Ring und Literaturpreis der deutschen Freimaurer
1970 Gerhart-Hauptmann-Preis für Zeit der Schuldlosen
1962 Literaturpreis der Stadt Bremen für Zeit der Schuldlosen
1961 Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen
1953 Lessing-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg (Stipendium)

Bibliographie

Fundbüro. Hamburger Ausgabe, Band 15

Hrsg. v. Katerina Kroucheva, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020, ISBN 978-3-455-40605-4, Gebunden, 368 Seiten, 48.00 EUR

Deutschstunde. Roman. Jubiläumsausgabe

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2018, ISBN 9783455004496, Gebunden, 592 Seiten, 25.00 EUR

Der Überläufer. Roman

Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2016, ISBN 9783455405705, Gebunden, 368 Seiten, 25.00 EUR

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