Suche

Friedenspreis 1957

Thornton Wilder

1957 ehrt der Börsenverein den amerikanischen Schriftsteller und Humanisten Thornton Niven Wilder mit dem Friedenspreis. Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, den 6. Oktober 1957, in der Paulskirche statt. Die Laudatio hält der Friedenspreisträger von 1954, Carl J. Burckhardt.

Begründung der Jury

Thornton Niven Wilder, dem großen Dichter und Dramatiker, der in wirrer Zeit den Glauben an die geistigen Kräfte und die Bindung an höhere Mächte aufrecht erhalten half, der Schicksal und eigene Verantwortung zu deuten wußte, ihm, der ernst und heiter das Leben zeichnete und das Ideal wahrer, edler Menschlichkeit zu schaffen trachtete, verleiht der Börsenverein des Deutschen Buchhandels den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Preisverleihung

Reden

Es sind nicht die Friedensapostel, die wir prämieren, nicht diejenigen, die billige Schemata zu finden glaubten für eine Völkerversöhnung, es ist vielmehr ein Preis für die Freiheit des Denkens, des Mutes, neue Ideen zu prägen, eigene Wege zu gehen.

Reinhard Jaspert - Grußwort
Reinhard Jaspert
Grußwort des Vorstehers

Wie dem sei, nicht nur das Erhabene, auch das Alltägliche, das scheinbar Triviale wird bei Wilder stets zu voller Würde erhoben, auch es gehört dem rätselhaften Phänomen dieser Menschheit an, ihrer Berufung, ihrer Bewährung, ihrer immer wieder erfolgenden Rettung um Haaresbreite oder, wie es im Englischen so einschneidend heißt, »um die Haut ihrer Zähne«.

Carl Jacob Burckhardt - Laudatio auf Thornton Wilder
Carl Jacob Burckhardt
Laudatio

Die Demokratie hat eine große Aufgabe, nämlich neue Mythen, neue Metaphern und neue Bilder zu erschaffen und den Stand der neuen Würde aufzuzeigen, in die der Mensch getreten ist.

Thornton Wilder - Dankesrede
Thornton Wilder
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1957

+ + + Die USA teilen im März 1957 mit, dass ihre Streitkräfte in der Bundesrepublik über Atomwaffen verfügen. Bundeskanzler Adenauer tritt Anfang April für die atomare Aufrüstung der Bundeswehr ein. + + + Eine Woche später sprechen sich 18 führende Atomforscher, unter ihnen der spätere Friedenspreisträger Carl Friedrich von Weizsäcker, im »Göttinger Appell« dafür aus, dass sich die Bundesrepublik nicht an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen beteiligt. + + +


+ + + Rund 150 Rundfunkanstalten übertragen weltweit eine Ansprache von Albert Schweitzer, der vor den Gefahren durch Atomstrahlen warnt und zur Einstellung der Atomwaffen-Versuche aufruft. + + + In Rom werden die Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (»Römische Verträge«) unterzeichnet. Zentraler Gedanke ist die Schaffung einer Zollunion, die einen freien Warenaustausch gewährleisten soll. + + + Das Bundesverfassungsgericht stellt im Mai fest, dass West-Berlin ein Land der Bundesrepublik ist und demnach auch dort das Grundgesetz gilt. Am 1. Juli werden die ersten drei Divisionen der Bundeswehr der NATO unterstellt. + + + Der Sowjetunion gelingt es im Oktober noch vor den USA, mit »Sputnik 1« den ersten Satelliten ins All zu bringen. Damit ist die Ära der Weltraumfahrt eröffnet. + + + Die 24-jährige Prostituierte Rosemarie Nitribitt, die Kontakte zu hohen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft hatte, wird im November erwürgt in ihrer Wohnung in Frankfurt am Main aufgefunden. Ihr Leben und der nicht aufgeklärte Mord entwickeln sich zur meistdiskutierten Affäre der Nachkriegszeit. + + +

Biographie Thornton Wilder

Der am 17. April 1897 in Madison (Wisconsin) geborene Thornton Wilder verbringt einige Jahre seiner Kindheit in China, wo sein Vater amerikanischer Generalkonsul ist. Wilder besucht dort die deutsche Missionsschule und studiert nach seiner Rückkehr 1914 Neuere Sprachen.


Während er als Lehrer unterrichtet, widmet er sich nebenbei verstärkt der Schriftstellerei. Erste Prosaarbeiten und Theaterstücke erscheinen. 1928 wird sein Roman Die Brücke von San Luis Rey mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. 1938 und 1942 erhält Wilder noch zwei weitere Pulitzerpreise. In den Folgejahren unternimmt er lange Reisen nach Europa und beschäftigt sich in Berlin mit deutscher Literatur und dem Theaterleben.

Zwischen 1930 und 1936 ist Wilder an der Universität von Chicago als Lektor für Literatur tätig. Die beiden folgenden Bühnenstücke Unsere kleine Stadt (1938) und Wir sind noch einmal davongekommen (1942) werden seine größten literarischen Erfolge. Er stellt in ihnen verstärkt die Frage nach dem »Warum des Menschenlebens« und spricht dem Dasein nur aus dem Glauben heraus einen Sinn zu. Die beiden Stücke machen im Nachkriegsdeutschland, wo sich Wilder nach 1950 häufig aufhält, eine erstaunliche Bühnenkarriere. Zugleich hat Wilder eine Professur an der Harvard University inne. Nach der Verleihung des Friedenspreises 1957 arbeitet er vornehmlich als Theaterschriftsteller.

Thornton Wilder stirbt am 7. Dezember 1975 im Alter von 78 Jahren.

Auszeichnungen

1957 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1942 Pulitzer-Preis für das Schauspiel The Skin of Our Teeth
1936 Pulitzer-Preis für das Theaterstück Our Town
1927 Pulitzer-Preis für den Roman The Bridge of San Luis Rey

Bibliographie

Theophilus North oder Ein Heiliger wider Willen. Roman

1974 (orig. 1973)

Der achte Schöpfungstag. Roman

1968 (orig. 1967)

Plays for Bleeker Street. Theaterstücke

1962

Infancy. Theaterstück

1962

Childhood. Theaterstück

1960

Mehr anzeigen

Alkestiade. Theaterstück

1955

The Matchmaker. Theaterstück

1954

Die Iden des März. Roman

1949

Im Schatten des Zweifels. Drehbuch

1943

Wir sind noch einmal davongekommen. Theaterstück

1943

Unsere kleine Stadt. Drehbuch

1940

The Merchant of Yonkers. Theaterstück

1938

Unsere kleine Stadt. Theaterstück

1938 (dt. 1945)

Dem Himmel bin ich auserkoren. Roman

1935 (dt. 1951)

The Long Christmas Dinner and Other Plays in One Act. Theaterstücke

1931 (dt. 1964)

Die Frau aus Andros. Roman

1930 (dt. 1931)

The Angel That Troubled Waters and Other Plays

1928

Die Brücke von San Luis Rey. Roman

1927 (dt. 1929)

The Trumpet Shall Sound. Theaterstück

1926

Die Cabala. Roman

1926 (dt.1929)

Laudator Carl Jacob Burckhardt

Der am 10. September 1891 in Basel geborene Carl Jacob Burckhardt stellt sein Leben in den Dienst der Völkerverständigung. Der Sohn einer der bekanntesten Familien der Schweiz tritt deshalb nach seiner Promotion in den diplomatischen Dienst ein.


Zwischen 1918 und 1921 ist Burckhardt Attaché bei der Schweizer Gesandtschaft in Wien. Anschließend nimmt er einen Ruf an die Universität Zürich an und unterrichtet von 1932 bis 1945 als ordentlicher Professor für Neuere Geschichte am Genfer Institut des Hautes Etudes.

Als Hoher Kommissar des Völkerbundes in Danzig bemüht er sich in den Jahren 1937–39 vergeblich, den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zu verhindern. Auch als Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (1944–47) und als Gesandter der Schweiz in Paris (1945–49) bemüht sich Burckhardt stets um eine europäische Kooperation.

Bereits vor seiner Pensionierung im Jahre 1949 hat Burckhardt zahlreiche historische und biographische Werke verfasst und arbeitet ehrenamtlich in verschiedenen internationalen Organisationen weiter.

Im Jahre 1954 würdigt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Burckhardt mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.

Carl Jacob Burckhardt stirbt am 3. März 1974 im Alter von 82 Jahren.