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Friedenspreis 1971

Marion Gräfin Dönhoff

Der Stiftungsrat für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels wählt die Journalistin und langjährige Herausgeberin der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit«, Marion Gräfin Dönhoff zur Trägerin des Friedenspreises 1971. Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 17. Oktober 1971, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hält der spätere Friedenspreisträger Alfred Grosser.

Begründung der Jury

Der Börsenverein verleiht den Friedenspreis 1971Marion Gräfin Dönhoff.
Als Publizistin ist Gräfin Dönhoff für eine Politik der Versöhnung eingetreten, für eine Verständigung zwischen allen Nationen in West und Ost. Kritik und Beitrag zur politischen Wirklichkeit nach dem Grundsatz der Demokratie bestimmen ihre Lebensarbeit für die Idee eines Zusammenlebens der Völker ohne Gewalt.

Reden

Da es aber keine evolutionäre Veränderung geben wird, die dem Frieden dient, wenn sie nicht von den Menschen selbst, von der Gesellschaft, getragen und anerkannt wird, hat das aufklärende, durchsichtig machende Wort des Publizisten heute mehr denn je seinen unbestreitbaren Rang unter denen, die bestrebt sind, diese Erde auf eine Weise zu organisieren, daß unausweichliche Konflikte wenigstens kanalisiert und die Voraussetzungen für einen friedlicheren Zustand geschaffen werden.

Werner E. Stichnote - Grußwort
Werner E. Stichnote
Grußwort des Vorstehers

Und doch glaube ich, daß ein Wirken wie das Ihre vorbildlich ist, weil Sie, durch Ihre Persönlichkeit wie in Ihren Schriften, zeigen, was heute allzu oft vergessen wird, nämlich, daß man die Ordnung der Welt nicht zum Guten verändern kann, ohne sich selbst verändern zu müssen. Das Überwinden ist nur fruchtbar, wenn es mit Selbstüberwindung verbunden ist.

Alfred Grosser - Laudatio auf Marion Gräfin Dönhoff
Laudatorname
Laudatio

Dieses Kapitel wird kaum Entspannung heißen – die wird wohl nur sehr unvollständig zur Geltung kommen. Aber vielleicht könnte man es mit »Friedens-Umrisse« überschreiben: eine Phase, in der man behutsam ein Problem nach dem anderen untersucht, gemeinsame Interessen herausschält, Konflikte entschärft und die Fragen, die unlösbar sind, einstweilen zurückstellt.

Marion Gräfin Dönhoff - Dankesrede
Marion Gräfin Dönhoff
Dankesrede der Preisträgerin

Chronik des Jahres 1971

+++ Der Bundesgrenzschutz berichtet im Januar 1971, dass die DDR die deutsch-deutsche Grenze mit neuen Maßnahmen, d. h. mit mehr als zwei Millionen Minen und über 80.000 km Stacheldraht abgesichert habe. +++ Walter Ulbricht tritt im Mai aus Altersgründen vom Amt des Ersten Sekretärs des Zentralkomitees der SED zurück. Sein Nachfolger wird Erich Honecker. Als erster Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten wird im Dezember das Transitabkommen unterzeichnet. Der Handel, aber auch der Reise- und Besucherverkehr zwischen der DDR und der BRD werden dadurch erheblich erleichtert. +++


US-Präsident Richard Nixon gibt im April den Abzug von 100.000 Soldaten aus Vietnam bekannt. Langfristig wird ein vollständiger Abzug amerikanischer Truppen aus Vietnam angestrebt, der Krieg soll allein von vietnamesischen Truppen fortgeführt werden. +++ Bei der Fahndung nach Mitgliedern der »Baader-Meinhof-Gruppe« wird Mitte Juli in Hamburg die mutmaßliche Terroristin Petra Schelm erschossen. Im Dezember wird in West-Berlin Georg von Rauch bei einem Schusswechsel mit Polizisten getötet. +++ Der Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" von Rosa von Praunheim hat im August Premiere. Der Film endet mit einem Appell an die Homosexuellen, stolz und selbstbewusst zu sein. +++ Auf dem 38. Kongress des Internationalen PEN-Clubs wird der Schriftsteller Heinrich Böll im Herbst als erster Deutscher zum Präsidenten gewählt. +++

Biographie Marion Gräfin Dönhoff

Marion Gräfin Dönhoff wird am 2. Dezember 1909 auf dem Familiensitz Schloss Friedrichstein in Ostpreußen geboren. Nach dem Abitur, das sie in Potsdam ablegt, studiert sie Volkswirtschaft in Frankfurt am Main. 1933 wechselt sie an die Universität Basel, wo sie zwei Jahre später promoviert.
1938 übernimmt sie die Verwaltung eines großen Güterkomplexes in Ostpreußen. 1945 flieht Marion Dönhoff in den Westen. Diese Erfahrung thematisiert sie in ihrem Buch Namen, die keiner mehr nennt (1962).


1946 beginnt sie ihre Arbeit in der Redaktion der Zeit und wird 1955 Ressortleiterin für Politik. Acht Jahre später übernimmt sie die Chefredaktion der Zeitung und Ende 1972 wechselt sie in die Position der Herausgeberin. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, deren Vizepräsidentin sie bis 1981 ist.

Marion Gräfin Dönhoff setzt sich in den 60er Jahren für ein aktives Engagement in der deutschen Ostpolitik ein und plädiert für eine Politik der Versöhnung. Sie ist eine der meistgelesenen politischen Kommentatorinnen ihrer Zeit.

Marion Gräfin Dönhoff stirbt am 11. März 2002 im Alter von 92 Jahren.

Auszeichnungen

1999 Hermann-Sinsheimer-Preis
1999 Ehrenbürgerin der Stadt Hamburg
1996 Reinhold Maier-Medaille der Reinhold-Maier-Stiftung


1996 Erich-Kästner-Preis des Presseclubs Dresden e. V.
1994 Four Freedoms Award
1993 Internationaler Brückepreis
1990 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
1988 Heinrich-Heine-Preis
1971 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1966 Theodor-Heuss-Preis
1964 Joseph-E.-Drexel-Preis

Bibliographie

Was mir wichtig war. Letzte Aufzeichnungen und Gespräche

Siedler, Berlin 2002, ISBN 3-88680-784-3; btb, 2. Aufl., München 2004, ISBN 978-3-641-03506-8

Kindheit in Ostpreußen

btb, München 1998, ISBN 3-442-72265-9; (Originalausg. 1988)

Namen, die keiner mehr nennt. Ostpreußen – Menschen und Geschichten

Diederichs, Düsseldorf/Köln 1971, ISBN 3-424-00410-3; Neuausgabe, Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-62477-3

Laudator Alfred Grosser

Der am 1. Februar 1925 in Frankfurt am Main geborene Alfred Grosser muss 1933 im Alter von acht Jahren mit seiner Familie Deutschland verlassen und nach Frankreich emigrieren. Nach dem Studium und dem Staatsexamen in Germanistik schließt er sich der französischen Widerstandsbewegung an.


Von 1950 bis 1951 ist Grosser stellvertretender Leiter des UNESCO-Büros in der Bundesrepublik. Anschließend nimmt er eine Dozentenstelle an der Sorbonne an. Ab 1956 ist Grosser hauptamtlicher Forschungsdirektor an der «Fondation nationale des sciences politiques» und Professor am «Institut d’etudes politiques» in Paris.

In zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen setzt er sich immer wieder für den Dialog zwischen den Nationen ein und nimmt unter anderem in Le Monde als Kolumnist öffentlich Stellung zu politischen Fragen. Hierfür wurde er 1975 selbst auch mit Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Als Generalsekretär des »Französischen Komitees für den Austausch mit dem neuen Deutschland« gilt Alfred Grosser als Wegbereiter der deutsch-französischen Aussöhnung. Durch seinen Einsatz für eine friedliche Zweistaatenlösung im israelisch-palästinensischen Konflikt stößt er besonders in Israel immer wieder auf Kritik.

Alfred Grosser lebt heute in Paris.