Suche

Friedenspreis 1982

George F. Kennan

1982 wurde der jüdische US-amerikanische Historiker und Diplomat George F. Kennan mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Die Verleihung fand am Sonntag, den 10. Oktober 1982, in der Paulskirche zu Frankfurt am Main statt. Die Laudatio hielt Carl Friedrich von Weizsäcker.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1982George F. Kennan,dem Diplomaten, Historiker und Rußland-Experten, der seit fast fünf Jahrzehnten - Geschichte mitgestaltend und Geschichte schreibend - in das weltpolitische Geschehen verwoben ist.


Er hat jenseits der jeweiligen Opportunität und oft genug gegen die Interessen der Mächtigen immer wieder versucht, die Akteure auf der Bühne ost-westlicher Rivalität davon zu überzeugen, daß der Frieden durch politisches Handeln gesichert werden muss und nicht durch militärische Vorkehrungen. Sein Kampf richtet sich gegen das Wettrüsten, seine Hoffnung auf eine Welt ohne Atomwaffen.

Preisverleihung

Hans Koschnick, George F. Kennan, Günther Christiansen und Carl Friedrich von Weizsäcker

Reden

Günther Christiansen
Grußwort des Vorstehers

Kennan hat die außerordentliche Natur der Atomwaffe sofort erkannt. Von Anfang an hat er ihr die Bezeichnung als legitim einsetzbare Waffe verweigert.

Carl Friedrich von Weizsäcker - Laudatio auf George F. Kennan
Carl Friedrich von Weizsäcker
Laudatio

Tatsache ist, daß dieser Knoten, der vor 37 Jahren hier in Zentraleuropa auf so unglückselige Weise geknüpft wurde, nicht kurzfristig und erst recht nicht durch Krieg zu lösen ist. Hier kann uns nichts anderes helfen als die Geduld, die Beschränkung, die Bereitschaft, mit kleinen Schritten vorwärtszugehen, und die geheimnisvolle, von uns nie ganz zu durchschauende, aber heilende und versöhnende Wirkung des historischen Wandels.

George F. Kennan - Dankesrede
George F. Kennan
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1982

+++ Nachdem argentinische Truppen im April die Inselgruppe »Islas Malvinas« erobern, die Großbritannien 1833 besetzt und in »Falklandinseln« umgetauft hat, schickt Premierministerin Thatcher mehr als 40 Schiffe der Royal Navy in das Krisengebiet. +++ Währenddessen gewinnt die Sängerin Nicole mit dem Lied Ein bißchen Frieden den »Grand Prix Eurovision de la Chanson«. +++


Nach einigen Wochen stehen die Falklandinseln wieder unter britischer Oberhoheit. Im Falklandkrieg starben mehr als 900 Soldaten, mehr als 1 800 wurden verwundet. Die Zahl der Veteranen, die sich, traumatisiert von diesem Krieg, das Leben nahmen, erreichte fast die Zahl der Gefallenen. +++ Israelische Truppen marschieren im Juni im Libanon ein, von wo aus palästinensische Terroraktionen gegen Israel immer wieder ihren Ausgang nehmen. Unter großen Verlusten der libanesischen Zivilbevölkerung bringen die israelischen Truppen die Südhälfte des Landes unter ihre Kontrolle. +++ Die Friedensbewegung erreicht einen weiteren Höhepunkt: Als am 10. Juni in Bonn ein NATO-Gipfeltreffen stattfindet, demonstrieren in der Stadt rund 400 000 bis 500 000 Menschen für den Frieden. +++ Nach einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt wählt der Bundestag am 1. Oktober Helmut Kohl zum sechsten Bundeskanzler der Bundesrepublik. +++ Mitte November wird der Vorsitzende der verbotenen polnischen Gewerkschaft Solidarnoœæ, Lech Walesa, nach elfmonatiger Internierung freigelassen. +++

Biographie George F. Kennan

Der am 16. Februar 1904 in Milwaukee / Wisconsin geborene Historiker George F. Kennan ist seit 1926 im diplomatischen Dienst der USA tätig und eignet sich während seiner Arbeit in mittel- und osteuropäischen Ländern einen großen Erfahrungs- und Kenntnisreichtum an. Er arbeitet in Hamburg und Talinn, anschließend in Riga, Berlin und Moskau.


Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird er von Prag nach Berlin versetzt und nach der deutschen Kriegserklärung an die USA für einige Zeit inhaftiert. Zwischen 1944 und 1946 ist er Berater des amerikanischen Botschafters in Moskau und maßgeblich an der Erarbeitung der amerikanischen Politik der Eindämmung gegenüber den kommunistischen Staaten beteiligt. 1951 geht er als Botschafter nach Moskau. Mit seinem ein Jahr später veröffentlichten Buch American Diplomacy 1900–1950 findet er auch als Geschichtsschreiber große Anerkennung.

1953 tritt er aus dem diplomatischen Dienst aus und lehrt bis 1961 in Princeton Geschichte. Seine kritischen Äußerungen zur Entwicklung der Beziehungen zwischen USA und UdSSR nehmen in dieser Zeit zu. Kennan wird zu einem Befürworter der Mitte der 60er Jahre einsetzenden Politik der Entspannung zwischen den Blöcken.

In den 80er Jahren erhebt er seine Stimme gegen den nuklearen »Overkill« und begleitet bis zu seinem Tod die US amerikanische Außenpolitik mit kritischem Blick.

George F. Kennan stirbt am 17. März 2005 im Alter von 101 Jahren.

Auszeichnungen

1982 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1976 Pour le Mérite
1962 Mitglied der American Academy of Arts and Letters
1957 Pulitzer-Preis
1952 Mitglied der American Philosophical Society
1952 Mitglied der American Academy of Arts and Sciences

Laudator Carl Friedrich von Weizsäcker

Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker wird am 28. Juni 1912 in Kiel geboren. Er studiert ab 1929 Physik, Astronomie und Mathematik und promoviert 1933 bei Werner Heisenberg. Nach seiner Habilitation im Jahr 1936 arbeitet Weizsäcker am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik in Berlin und wechselt 1942 als Professor an die Straßburger Universität. Die 1937 nach ihm benannte Weizsäcker-Formel verschafft ihm internationale Reputation als Atomphysiker. Während des Zweiten Weltkriegs ist er Mitarbeiter am deutschen »Uran-Projekt«. In abgehörten Gesprächen während der Internierung äußern er und Otto Hahn Freude darüber, dass sie glücklicherweise nicht vor den USA »die Bombe« produziert, sondern deren Entwicklung verlangsamt hätten.


1946 geht Weizsäcker, der sich fortan als leidenschaftlicher Kriegsgegner bekennt und auf die Verantwortung des Wissenschaftlers für die Folgen seiner Arbeit hinweist, an das Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen und lehrt danach von 1957 bis 1969 in Hamburg Philosophie.
Er gehört zu den Initiatoren der »Göttinger Erklärung« 1957, in der die deutschen Atomphysiker ihre Beteiligung an der Herstellung, der Erprobung und dem Einsatz von Atomwaffen öffentlich verweigern.

1970 gründet er in Starnberg das Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt, das er bis 1980 leitet. Ab 1986 sieht er in der Sonnenenergie die zukünftige Energiequelle und geißelt die Atomwirtschaft als überflüssig. Für die SPD entwirft er Thesen zur Friedenspolitik, für den Kampf gegen den Hunger in der Welt und für eine neue Energiepolitik. Eine Kandidatur als Bundespräsident lehnt er mehrmals ab.

Carl Friedrich von Weizsäcker stirbt am 28. April 2007 im Alter von 94 Jahren.