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Friedenspreis 1992

Amos Oz

Der Stiftungsrat hat den israelischen Schriftsteller Amos Oz zum Träger des Preises gewählt. Die Verleihung fand während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 4. Oktober 1992, in der Paulskirche statt. Die Laudatio hielt Siegfried Lenz.

Begründung der Jury

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahre 1992 Amos Oz und würdigt damit den herausragenden Schriftsteller des heutigen Israel. In seinen politisch engagierten Werken vermittelt Amos Oz ein lebendiges Bild der israelischen Gesellschaft mit ihren vielschichtigen und schwierigen Beziehungen der Menschen untereinander und zu der Welt; er schildert die Vielfalt der Stimmen im Staat Israel. Er würdigt zugleich den Mitbegründer der israelischen Friedensbewegung Peace Now, mit der er gegen Fanatismus, Gewalt, aber auch gegen Gleichgültigkeit kämpft.


Amos Oz setzt sich mit aller Kraft für ein dauerhaftes und friedvolles, für ein gerechtes Zusammenleben von Israelis und Palästinsern ein - und zwar in ihrer angestammten Heimat. Frieden gilt es zu leben, nicht Krieg. Dies bedeutet für Amos Oz, der die Philosophie des Kompromisses und der Verständigung vertritt, gute Nachbarschaft und Fairneß zwischen den Nationen, Toleranz und Menschlichkeit.

Preisverleihung

Amos Oz am Rednerpult in der Paulskirche

Reden

Dorothee Hess-Maier
Grußwort der Vorsteherin

Mit Erbarmen und Erbitterung, mit Trauer, Scharfsinn und seinem abgründigen Humor erzählt er von Menschen, die dazu verurteilt sind, die Rätsel und Widersprüche des Lebens auszuhalten. Dabei bringt er die Gründe zum Vorschein, die uns unfriedlich sein lassen, und indem er das tut, verweist er zugleich auf eine Friedensmöglichkeit.

Siegfried Lenz - Laudatio auf Amos Oz
Siegfried Lenz
Laudatio

Ich glaube nicht an die Möglichkeit eines perfekten Friedens – denken Sie an jenes ›krumme Holz‹. Ich arbeite vielmehr für einen kläglichen, nüchternen, unvollkommenen Kompromiß zwischen einzelnen Menschen und Gemeinschaften, die immer getrennt und unterschiedlich sein werden, die aber gleichwohl fähig sind, ein unvollkommenes Miteinander herbeizuführen.

Amos Oz - Dankesrede
Amos Oz
Dankesrede des Preisträgers

Chronik des Jahres 1992

+++ Der südafrikanische Präsident de Klerk kündigt im Januar 1992 die Bildung einer Übergangsregierung an, an der auch Vertreter der schwarzen Bevölkerungsmehrheit beteiligt werden sollen. Im März votieren mehr als zwei Drittel der weißen Bevölkerung Südafrikas für die Abschaffung der Rassentrennung und die Fortsetzung der Reformpolitik. +++


Trotz der Stationierung von UN-Friedenssoldaten und der diplomatischen Anerkennung von Kroatien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina durch die Europäische Gemeinschaft geht der Krieg auf dem Balkan unvermindert weiter. Gegen Serbien und Montenegro wird im Mai ein Handelsembargo beschlossen. Im Dezember wird durch eine Großoffensive serbischer Truppen die bosnische Hauptstadt Sarajewo von der Außenwelt abgeschnitten. +++ Im August zünden in Rostock rechtsextreme Jugendliche unter dem Beifall erwachsener Sympathisanten und ungehindert von der Polizei einen Wohnblock an, in dem vor allem Vietnamesen leben. +++ Ende September wird bei einem Brandanschlag auf die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen ein Museumsgebäude zerstört. +++ Am 23. November kommen in Mölln drei Türkinnen bei einem Brandanschlag rechtsextremer Gewalttäter ums Leben, sieben Personen werden verletzt. Am 6. Dezember protestieren in München mehr als 400 000 Menschen mit einer 45 Kilometer langen Lichterkette gegen Ausländerfeindlichkeit. Am gleichen Tag einigt sich die Regierungskoalition mit der SPD auf eine Änderung von Artikel 16 des Grundgesetzes: Asylbewerber, die aus anderen EG-Staaten und sogenannten sicheren Drittländern nach Deutschland kommen, sollen künftig ohne Gerichtsverfahren zurückgeschickt werden können. +++

Biographie Amos Oz

Mit fünfzehn Jahren tritt Amos Klausner, als Sohn eines russischen Literaturwissenschaftlers geboren am 4. Mai 1939 in Jerusalem, dem Kibbuz Hulda bei und ändert seinen Nachnamen in Oz um, das hebräische Wort für Kraft, Stärke. Er studiert Literatur und Philosophie und veröffentlicht 1960 erste Kurzgeschichten.


Der erste Roman Keiner bleibt allein über die Bedrohung der Ideale des Kibbuzlebens durch Missgunst und Egoismus erscheint 1966. Schon hier wird seine Sehnsucht nach Verlässlichkeit sichtbar, die sich aus der Unsicherheit des Staates Israel seit seiner Gründung ergibt und die sich durch sein Leben und durch sein literarisches Werk zieht.

Die Erfahrungen, die er 1967 als Soldat im Sechstagekrieg und im Jom-Kippur-Krieg 1973 macht, befördern seine Einsicht, dass ein Kompromiss zwischen Israelis und Palästinensern gefunden werden muss, der die Autonomie der Palästinensergebiete vorsieht. 1977 wird die Friedensbewegung Schalom Achschaw (Frieden jetzt, Peace Now) gegründet, auf deren Basis Amos Oz und seine Mitstreiter sich für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts einsetzen – eine Haltung, die in Israel, zusammen mit den zeit- und gesellschaftskritischen Bezügen der Romane und Essays von Amos Oz, heftige Kontroversen auslöst.

Während der zweiten Intifada versucht er, mit der Unterscheidung zwischen dem Kampf der Palästinenser um einen eigenen Staat und dem Kampf fanatischer Islamisten gegen die Existenz des Staates Israel, der Diskussion um eine friedliche Lösung des Konflikts eine neue Grundlage zu geben. 2008 erscheint sein Roman Verse auf Leben und Tod, ein subversives Wechselspiel von Leben und Literatur. Im gleichen Jahr kündigt er die Gründung einer neuen Linkspartei an.

Am 28. Dezember 2018 stirbt Amos Oz in Petach Tikwa.

Auszeichnungen

2018 Stig-Dagerman-Preis
2017 Mount Zion Award
2017 Abraham Geiger Preis


2015 Park-Kyung-ni-Literaturpreis
2015 Internationaler Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt mit der Übersetzerin Mirjam Pressler
2014 Siegfried Lenz Preis
2013 Franz-Kafka-Literaturpreis
2012 Premio Letterario Internazionale Giuseppe Tomasi di Lampedusa
2010 Siegfried Unseld Preis gemeinsam mit Sari Nusseibeh
2008 Internationaler Stefan-Heym-Preis der Stadt Chemnitz
2008 Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
2008 Dan David Prize
2007 Prinz-von-Asturien-Preis
2007 Literatur im Nebel Heidenreichstein
2007 Aufnahme in die American Academy of Arts and Sciences als auswärtiges Ehrenmitglied
2006 Corine-Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten2005 Wingate Literary Prize
2005 Goethepreis der Stadt Frankfurt am Main
2004 Preis des Senders France Culture für ausländische Literatur
2004 Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch (Hauptpreis) für das Buch Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
2003 Friedenspreis der Geschwister Korn und Gerstenmann-Stiftung
1998 Israel-Preis für Literatur
1992 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
1986 Bialik-Preis
1984 Offizier des Ordre des Arts et des Lettres

Bibliographie

Liebe Fanatiker. Drei Plädoyers

Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler, Suhrkamp Verlag, Berlin 2018, ISBN 9783518428023, Kartoniert, 143 Seiten, 18.00 EUR

Judas. Roman

Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler, Suhrkamp Verlag, Berlin 2015, ISBN 9783518424797, Gebunden, 335 Seiten, 22.95 EUR

Eine Geschichte von Liebe und Finsternis. Roman

Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2004, ISBN 9783518416167, Gebunden, 850 Seiten, 26.80 EUR

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Laudator Siegfried Lenz

Siegfried Lenz, geboren am 7. März 1926 in Lyck / Ostpreußen, wird nach dem Abitur 1943 zur Marine einberufen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs desertiert er und versteckt sich die letzten Kriegsmonate in Dänemark.


Nach dem Krieg beginnt er in Hamburg ein Philosophie- und Literaturstudium, das er jedoch 1948 abbricht, um als Volontär, später als Feuilletonredakteur bei der Zeitung Die Welt zu arbeiten. Seit 1951 ist Siegfried Lenz als freier Schriftsteller tätig.

Bereits sein erster Roman Es waren Habichte in der Luft (1951) handelt von der Erfahrung totalitärer Herrschaft – eins seiner wichtigsten literarischen Themen, mit denen er eine sozialkritische Perspektive entwickelt, gebrochen durch existentielle, manchmal gar pessimistische Motive. Sein 1968 veröffentlichter Roman Deutschstunde macht ihn weltberühmt.´

Lenz engagiert sich politisch für die SPD und begleitet 1970 zusammen mit Günter Grass Bundeskanzler Brandt zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages nach Warschau. Auch seine jüngste Erzählung Schweigeminute (2008) wurde zu einem Bestseller.

Siegfried Lenz ist am 7. Oktober 2014 im Alter von 88 Jahren in Hamburg gestorben.